© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Einsam in Geselligkeit
Eine honigsüße Bratwurst: „Beste Freunde“ von Jonas Grosch ist ein Film über eine Mittdreißigerin mit Bindungsängsten, die nicht seßhaft werden will
Andreas Zöllner

Der Film „Beste Freunde“ wird in den Presseinformationen als „humorvolle Parabel über (…) die ungeliebte Erkenntnis, erwachsen werden zu müssen“, angepriesen. DieTragikomödie macht ein Wimmern der Verzweiflung vernehmbar, das von einer Fassade der Selbstbestimmung verdeckt wird. Es entsteht der Eindruck, daß selbst aus dem Eingeständnis der Hoffnungslosigkeit noch Genuß zu ziehen sei. Die Protokolle des Scheiterns verkünden einen neuen Existentialismus der Vereinsamung in der Geselligkeit.

Dessen Protagonisten tragen keine schwarzen Baskenmützen mehr, sondern aus grellbunter Wolle gestrickte Pudelmützen wie Susi Q. (Katharina Wackernagel). Mit ihrem Blogger-Freund Mark (Sebastian Schwarz) ist sie durch die Welt gestromert und zeigte sich stets gut gelaunt vor der Kamera. „Hey, ihr da draußen, Freunde in der ganzen Welt“, plärrt sie in Barcelona in die Kamera. Sie fotografiert und er schreibt. Doch dann wird der kreative Nomade plötzlich seßhaft. Der Bart ist ab und der freche Hut ruht im Schrank.

Mark wird durch seine neue Freundin Vivian (Tina Amon Amonsen) domestiziert. Das ist ganz natürlich, denn die lesbische Susi hat sich seinen Offerten immer entzogen. Was für sie kein Grund ist, nicht eifersüchtig zu werden. Sobald sie nun seine alte Nummer wählt, hört sie die paradoxe Ansage: „Hallo ich kann gerade nicht ans Telefon gehen, weil ich mich am andern Ende der Welt befinde.“

Susi hat sich alles vom Halse gehalten. Nun aber fühlt sie sich zum erstenmal selbst beiseite geschoben. Es verbleibt ihr nur der ebenfalls einsame Anwaltsfreund Steffen (Niels Bormann). Dessen Tochter Marie Lou (Maria Matschke) ist bis über die Ohren in einer Computer-Welt versunken. Darin trägt sie auch ihren Vater auf diversen Kontaktbörsen zu Markte. Nun will sie Susi helfen, ihren Freund zurückzugewinnen. Aber die hat ihn ja nie besessen. Ihr Chiropraktiker Dominique (Robert Beyer) gibt zu bedenken: „Du kannst nicht vorgeben, Honig zu sein, wenn du eine Bratwurst bist!“

Mit der schwarzen Venus Louise (Thelma Buabeng) hat Susi nur geschlechtlichen Kontakt. Zu einem geselligen Frühstück und ein paar lieben Worten ist sie außerstande. Gleiches widerfährt ihr selbst, als sie die Hilfe ihres Vater über das Internet sucht. In der kalten Wohnung ist unterdessen auch der Strom abgestellt worden. Doch der Typ auf dem Monitor schwadroniert vom anderen Ende der Welt: „Wir haben überhaupt keinen Strom. So etwas Weltoffenes. Wir hier in unserem Bergdorf im Sudan.“

Das zunehmende Elend wird gelegentlich von Filmschnipseln aus dem Archiv der geschwätzigen Weltenbummler unterbrochen. Susi betrachtet auf ihrem Rechner die fadenscheinige Fröhlichkeit von einst. Langsam wird ihr bewußt, daß das nun alles vorbei ist.

Das betroffene Publikum wird sich wiedererkennen

Eine Tragikomödie sollte die Aufmerksamkeit der Zuschauer bannen, in dem sie Gegensätze zuspitzt bis hin zur Entscheidung. „Beste Freunde“ erweist sich als eine einzige Katastrophe. Doch statt die Lebenskräfte sich aufbäumen, greift die totale Ermattung um sich. Dadurch wirkt das Geschehen eher peinlich-lächerlich als tragikomisch. Das von dergleichen Erlebnissen betroffene Publikum will sich und wird sich wiedererkennen.

Gemeinsam mit dem Spanier Carlos Val verantwortet Jonas Grosch Drehbuch und Regie. Die Hauptdarstellerin Katharina Wackernagel (36) ist seine Schwester. Sie haben den Film gemeinsam produziert. Außerhalb der Kreise ihrer kreativen Minderheit und deren bewundernden Korona entfalten die geschilderten Befindlichkeiten keine Bedeutsamkeit. Dabei kann etwas Abseitiges ohne weiteres zur besonderen Grundlage für ein allgemeines künstlerisches Bild von den Kämpfen des Daseins werden, doch dieser Film will das offenbar gar nicht. Vielleicht vermag er es auch nur nicht, weil er selbst ein Produkt jener Ermattung ist, die er zum Gegenstand hat.

Kinostart: 26. Februar 2015 www.bestefreundefilm.de

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