© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/15 / 27. Februar 2015

Sieben Linden ist nicht bunt
Na, so was: Ein bio-deutsches Ökodorf mit den schärfsten Einwanderungsregeln der Welt – Integrationsverweigerer, Habenichtse und Faule brauchen gar nicht erst anzuklopfen
Bernd Rademacher

Im Osten Deutschlands – wo sonst?! – werden Zuwanderer ausgegrenzt und diskriminiert! Und zwar im Ökodorf Sieben Linden im altmärkischen Beetzendorf-Poppau. Die Bio-Kommune hat die härtesten Einwanderungsgesetze der Welt! Refjutschies welkam? Denkste!

1997 wurde die Siedlung auf 22 Hektar gegründet. Heute wohnen dort 140 Seelen. Die fleißigen Ökos haben sich einen hübschen Wohlstand erarbeitet: gepflegte Wohnhäuser, Seminarzentrum, Werkstätten, Infrastruktur und sogar ein Amphitheater wurden errichtet. Natürlich alles vollwertig ökologisch: Pflanzen-Kläranlage, Windschutzhecken, natürlicher Lehmverputz – alles bio. Welcher Zivilisationsflüchtling träumt nicht von so einem Leben? Doch mit Willkommenskultur sieht’s hier ganz finster aus.

Probewochen mit Arbeit und Gemeinschaftskursen

Und das, obwohl das Boot noch lange nicht voll ist. Aber die Gesellschaft sagt: „Wichtig ist uns ein organisches Wachsen der Gemeinschaft, das heißt die Frage: Wie viele Menschen können wir zur Zeit integrieren? (...) Die Neuaufnahme von Menschen braucht bei wachsender Gemeinschaft immer mehr Aufmerksamkeit und neue Strukturen.“ Eine klare Absage an ungeregelte Masseneinwanderung! Ist das nicht irgendwie „fremdenfeindlich“?

Die Aufnahmegesellschaft erwartet echte „Fachkräfte“; das Grundsatzpapier stellt klar: „Es wird von allen erwartet, daß sie sich neben der qualifizierten Arbeit in einem eigenen Verantwortungsbereich, der Teilnahme an Arbeitsgruppen auch an Hilfsarbeiten, Arbeiten im Haushalt und Gemeinschaftsaktionen beteiligen.“ Aber dieser Produktivitätszwang ist längst nicht alles.

Zuerst muß der Anwärter Probewochen mit Arbeit, Öko-Seminaren und Gemeinschaftskursen absolvieren. Armutseinwanderung ausgeschlossen: Jeder Neubürger muß 12.300 Euro Genossenschaftseinlage plus 1.500 Euro „Eintrittsgeld“ zahlen und nachweisen, daß er die Lebenshaltungskosten von 700 bis 1.000 Euro monatlich aufbringen kann, zuzüglich ausreichender Mittel für den eigenen Hausbau. Nix mit solidarischer „Umfairteilung“.

Sind Probezeit und Bonitätsprüfung glücklich geschafft, kommt die letzte Hürde: Die Dorfgemeinschaft muß dem Zuzug mit Zweidrittelmehrheit zustimmen! Und auch das ist noch kein Start ins vollwertige Bio-Glück. Die Satzung sagt: „Durch die Knappheit des Wohnraums müssen sich Probezeitler_innen womöglich mit diversen Zwischenlösungen zufriedengeben.“ Wie? Die räumen nicht das Gemeinschaftshaus für wohnungslose Zuwanderer? Wo bleibt da die „Teilhabe“?

Diese restriktiven Gesetze werfen Fragen auf. Was passiert, wenn die Mehrheitsgesellschaft den Migranten nicht einreisen lassen will? Gibt es dann wenigstens einen Abschiebestopp im Winter? Oder den Klageweg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte?

Was, wenn ein abgelehnter Neu-Öko kurzerhand den Dorfplatz oder die Waldorf-Kindertagesstätte besetzt? Schließlich ist kein Mensch illegal, oder? Gute Frage, man müßte sich mal bei der Antifa erkundigen, ob „No Border, no Nation“ auch für Öko-Kommunen gilt. Schon der deutschtümelnde Name „Sieben Linden“ müßte linke „Aktivisten“ hellhörig werden lassen.

Vielleicht haften morgen schon Aufkleber mit der schwarzroten Fahne und dem Motto „Fight Festung Ökodorf!“ an den Biolehmhäusern. Bevor noch jemand auf die Idee kommt, die Zuwanderungsregeln des Projektes auf das ganze Land zu übertragen .

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