© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Griechen hoffen – auf deutsche Urlauber
Tourismus: Die Reisebranche boomt vor allem in der Heimat / Aber auch klassische Urlaubsziele wieder beliebter
Christian Schreiber

Rechtzeitig zur Internationalen Tourismus Messe (ITB) in Berlin melden die deutschen Reise- und Hotelveranstalter erneut steigende Umsatzzahlen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, gab es im Jahr 2014 mit 424 Millionen Übernachtungen einen neuen Rekord und einen Anstieg von erneut drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Damit konnte die Branche bereits im fünften Jahr hintereinander ein deutliches Plus verbuchen. Verursacht wurde der Zuwachs einmal mehr vor allem von Gästen aus dem Ausland. Ihre Übernachtungszahl erhöhte sich binnen Jahresfrist um fünf Prozent auf 75,5 Millionen. Bei inländischen Gästen gab es ein Plus von drei Prozent auf 348,5 Millionen. Die Statistik berücksichtigt Pensionen und Hotels mit mindestens zehn Schlafplätzen.

„Vor allem unterstreichen die Zahlen, daß unsere Branche nachhaltig wächst – das ist die zentrale Botschaft“, erklärte Ernst Fischer, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga). Auf das laufende Kalenderjahr blickt Dehoga dagegen zurückhaltend. „Ob Arbeitszeitdokumentation oder Allergenkennzeichnung – 2015 geht schon jetzt als Bürokratiejahr in die Branchen-Geschichtsbücher ein“, so Fischer. „Sorge und Unmut in den Betrieben sind spürbar. Mehr Bürokratie und höherer Kostendruck lassen sinkende Gewinne erwarten.“ Im Fokus der Kritik stehen vor allem die Bürokratievorgaben durch den Mindestlohn. So muß jeder Betrieb seit 1. Januar für jeden Mitarbeiter bis zu einem Bruttoverdienst von 2.958 Euro schriftlich Anfang, Dauer und Ende der Arbeitszeit festhalten. Schon bei geringfügigen Verstößen drohen drakonische Bußgelder. „Das ist nicht der Stoff aus dem neue Umsatzrekord gestrickt sind“, sagte der Dehoga-Chef.

Demographischer Wandel gut für Deutschland-Tourismus

Die Attraktivität des Reiselands Deutschland sei dabei aber ungebrochen, die Tendenz sogar noch weiter steigend. Vor allem die Einheimischen verbringen ihre Ferien gern vor der Haustür. Nach einer aktuellen Tourismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen verbringen mehr als 30 Prozent der Bundesbürger den „größten Urlaub“ im eigenen Land. Dabei hat die Ostsee, auch wegen eines günstigen Preis-Leistungs-Verhältnisses, Bayern mit dem Allgäu und den Alpen als beliebtestes Reiseziel überholt.

Als Trend läßt sich auch festhalten, daß der demographische Wandel das Reiseverhalten der Deutschen massiv beeinflußt. Weniger Kinder und Familien, dafür mehr Singles und kinderlose Paare prägen die Reisewelt. Noch stärker wirkt sich die älter werdende Bevölkerung aus. Die Branche beginnt sich darauf einzustellen, der sogenannte „Kur-Laub“ erfreut sich wachsender Beliebtheit. Dabei lassen sich nicht nur Rentner auf einer Gesundheitsreise mit medizinisch-therapeutischen Behandlungen versorgen. Auch Berufstätige haben diese Form des Verreisens inzwischen vermehrt für sich entdeckt, um richtig abschalten zu können. Dabei suchen immer mehr Menschen nach Urlaubszielen, bei denen sie Wellness, Entspannung und Badeurlaub miteinander verbinden können: „Ohne diese Zielgruppe haben es alle Anbieter schwer, erfolgreich zu sein. Daher haben viele Destinationen, Anbieter und Reiseunternehmen ihre Angebote sukzessive auf die ältere Zielgruppe zugeschnitten“, erklärte Professor Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen. Ältere Menschen seien naturgemäß eher daran interessiert, den Urlaub in der Heimat zu verbringen. Dementsprechend würden daher auch Ziele wie die Sächsische Schweiz, der Schwarzwald oder die Eifel immer beliebter.

Von den ausländischen Gästen kommt die Mehrheit wie in den Vorjahren aus den benachbarten Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz oder aus Großbritannien. Auch Besucher aus den USA sind nach wie vor stark vertreten. Für die stärksten Zuwächse sorgen aber Touristen aus China, Taiwan und aus den Ländern am Persischen Golf. Ein Grund für den China-Boom ist die wachsende Mittelschicht in der Volksrepublik. Hinzu kommt eine wachsende Zahl günstiger Flugverbindungen. Beliebtestes Reiseziel ist dabei die Bundeshauptstadt Berlin mit rund 26 Millionen Übernachtungen von In- und Ausländern im Jahr 2014. Ebenfalls sehr attraktiv sind München und Hamburg.

Bei den Städten führt Berlin vor München und Hamburg

Wie verschiedene Analysen aus der Reise-Industrie zeigen, scheint der Trend der Zukunft in einem Kurzurlaub in der Heimat sowie der Fernreise zu liegen. Der Reiseveranstalter Tui, einer der führenden Anbieter auf dem Weltmarkt, bestätigt diese Einschätzung. Vor allem Reisen nach Asien werden immer beliebter.

„Thailand und China sind schon jetzt sehr beliebt. Es gibt aber dort noch viele Regionen, die touristisch noch nicht so entwickelt sind, etwa im Iran, in Malaysia, Indonesien (Ausnahme Bali) oder in Myanmar. Aber auch die Golf-Staaten werden immer beliebter“, teilte Tui-Fernreise-Chef Steffen Boehnke mit.

Einer der großen Reisetrends sind nach wie vor Kreuzfahrten. Das Wachstum lag im vergangenen Jahr im zweistelligen Bereich. Beliebt bleiben auch klassische Reiseziele wie Griechenland oder die Türkei. „Griechenland war der touristische Gewinner des vergangenen Jahres. Es spricht viel dafür, daß dies in der kommenden Saison auch so ist“, erklärte ITB-Sprecher Martin Buck gegenüber der Nachrichtenagentur DPA: „Griechenland wird sich sehr stark auf der ITB präsentieren.“ Nutznießer des Reisebooms in Deutschland ist übrigens auch der Staat. Ob mittels Kurtaxe in ländlichen Regionen oder der Bettensteuer in den Metropolen – die Finanzminister sind im Urlaub stets dabei. Immerhin haben mehrere Gerichte für Geschäftsreisende nun Ausnahmen bestätigt. Dehoga-Präsident Fischer nahm es mit Erleichterung zur Kenntnis: „Immerhin gibt es vor lauter Bürokraten noch Juristen mit Vernunft.“

ITB. 7.–8. März, Messe Berlin, 10 bis 18 Uhr

www.itb-berlin.de

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