© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Diesmal bleibt die Bundesregierung hart, versprochen
Euro-Rettung: Immer wieder vertrösteten Politiker die Deutschen mit dem Versprechen, ihr Geld werde nicht in ein Faß ohne Boden gestopft
Ronald Gläser

Der kommende Montag wird ein spannender Tag für Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis. Dann treffen die beiden Kontrahenten schon wieder aufeinander, diesmal bei einem regulären Treffen der Eurogruppe, also der Zusammenkunft der Finanzminister der Euro-Mitgliedsstaaten.

Das letzte Treffen der Eurogruppe war eine Sondersitzung, um die viermonatige Verlängerung des Hilfspakets für Griechenland unter Dach und Fach zu bringen. Der deutsche Finanzminister Schäuble hatte vorher mehrfach angekündigt, hart bleiben zu wollen und Geld nur gegen Reformen freizugeben. „So einfach ist das nicht, daß man sagt, wir halten uns nicht an das, was wir vereinbart haben – jetzt brauchen wir aber Geld“, hatte er in der ARD verkündet.

Am Ende ließ Schäuble sich aber doch breitschlagen. Angesichts der Zusage der Griechen zu neuen Reformen hatte die Bundesregierung den Athener Forderungen nachgegeben – und der Bundestag vor einer Woche diese Zusage der Bundesregierung abgenickt.

Dabei hätte der griechische Finanzminister Varoufakis den deutschen Jasagern fast noch einen Strich durch die Rechnung gemacht: In einem Interview mit einem griechischen Radiosender am Morgen der Abstimmung im Reichstag brüstete er sich mit seinen Tricks: „Wir sind stolz auf das Niveau der Ungenauigkeit.“ Die Zusagen seien so schwammig formuliert worden, daß ihn niemand später darauf festnageln könne.

Wolfgang Schäuble gab später kleinlaut in der ARD zu Protokoll, Varoufakis mache ihn „fassungslos“. „Wenn man dann zum gleichen Zeitpunkt sagt, daß das alles gar nicht so gemeint ist, dann ist das kein rücksichtsvoller Umgang mit uns“, klagte er. Wenn er am Montag in Brüssel auf Varoufakis trifft, werden alle Augen auf die zwei gerichtet sein.

Das Verhältnis der beiden ist symptomatisch für die Glaubwürdigkeitskrise in der Eurozone. Die Deutschen mißtrauen den Griechen und ihren eigenen Volksvertretern. Auch die Griechen mißtrauen ihren Politikern. Und die Politiker mißtrauen sich untereinander. Zu Recht, wie die jüngsten Vorfälle belegen.

Die Liste der Lügen rund um den Euro ist zu lang, als daß jemand noch Vertrauen haben könnte. Es begann in den neunziger Jahren mit dem Versprechen, der Euro werde so hart wie die D-Mark. Und kein Staat werde für die Schulden eines anderen in der Eurozone haften müssen. Die sei nicht nur nicht vorgesehen, sondern sogar verboten!

Die Union verbreitete 1999 in ihrer Propaganda zur EU-Wahl den Satz: „Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, daß die EU oder die EU-Partner für die Schulden eines Mitgliedstaates haften.“ Ein abfotografierter Ausriß aus der Wahlwerbung wird im Internet wie verrückt geteilt.

Als Griechenland in Schwierigkeiten geriet, brach das propagandistische Kartenhaus zusammen. Zunächst verkündete Schäuble noch: „Griechenland muß sich selbst helfen.“ Auch die Kanzlerin blies in dieses Horn. Im Mai 2010 folgte dann die Trendwende. Der Weg für ein Hilfspaket von acht Milliarden Euro wurde freigemacht. Viele weitere Milliarden sollten folgen.

Immer wieder wurde beteuert, Griechenland sei auf dem richtigen Weg, die Reformen würden bald greifen. Der Haushalt stehe vor seiner Konsolidierung. Es ist alles gelogen. Die Staatsquote des Landes ist ein einziges Mal seit Beginn der Krise gesunken (2010). Ansonsten ist sie immer weiter gestiegen. Die griechischen Regierungen haben nichts eingespart, und sie werden dies vermutlich auch in Zukunft nicht tun.

Umfragen bestätigen das Mißtrauen. 71 Prozent der befragten Deutschen fürchten, daß die griechische Regierung den in der Vorwoche vorgelegten Spar- und Umbauprojekten nicht nachkommen werde, ging aus dem vor einer Woche veröffentlichten ZDF-„Politbarometer“ hervor.

Und die Griechen fürchten, daß ihr Land bald aus dem Euro geworfen wird. Deswegen bringen sie ihr Geld in Sicherheit. Im Januar hat sich die Kapitalflucht aus dem Land dramatisch verschärft. Pro Tag wird fast eine Milliarde Euro von griechischen Banken abgehoben und auf ausländische Konten transferiert. Das erhöht das sogenannte Targetsaldo des Landes. Wie das ifo-Institut errechnet hat, sind die Verbindlichkeiten Griechenlands dadurch zusätzlich auf 290 Milliarden Euro gewachsen.

Das entspricht 140 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes. Und das trotz des Schuldenschnitts von 2012. Es ist kein Ende in Sicht.

 

Euro-Rettung: Ausgewählte Lügen deutscher und griechischer Politiker der letzten fünf Jahre

Die Milliardenhilfe

März 2010

Angela Merkel: „Es gibt keine Haushaltsmittel für die Griechen.“

April 2010

Griechenland braucht 8 Milliarden Euro, muß 24 Milliarden einsparen. Wolfgang Schäuble: „Werden aus dieser Krise gestärkt hervorgehen.“ Giorgos Papandreou: „Das Sparprogramm ist eine patriotische Pflicht.“

Mai 2010

Das Paket umfaßt 110 Milliarden, Hellas soll 10 Milliarden Euro sparen.

 

Die Stimmrechte

September 2010

Angela Merkel fordert mit den Worten „Wir sind für einen möglichst hohen Automatismus“ härtere neue Stabilitätsrichtlinien im Euro. So sollen Schuldnerstaaten ihr Stimmrecht verlieren.

Oktober 2010

Nach einem Treffen mit Nicolas Sarkozy ist von Stimmrechtsentzug keine Rede mehr. Obendrein hat sich das gesamte Defizitverfahren seit Beginn der Krise als zahnloser Tiger entpuppt.

 

Die Aufstockungen

Januar 2011

Die Bundesregierung hat bereits 123 Milliarden Euro übernommen, soll Hilfe aufstocken, weist dies aber als „nicht notwendig“ zurück.

März 2011

Auf einem EU-Gipfel stimmt Angela Merkel zu: Deutsche Bürgschaften steigen auf 211 Milliarden Euro.

August 2014

Nach weiteren Erhöhungen steht Deutschland laut ifo-Institut für 379 Milliarden Euro in der Haftung.

 

Die Sparmaßnahmen

Februar 2012

Guido Westerwelle: „Vorleistungen kann es nicht mehr geben. Jetzt zählen nur noch Taten.“ Griechenland verspricht 150.000 Entlassungen in Staatsbetrieben.

April 2013

Weitere 15.000 Entlassungen vom Athener Parlament beschlossen.

Oktober 2013

Noch immer arbeitet laut DGB ein Viertel aller griechischen Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor.

 

Die EZB-Geldpolitik

Dezember 2014

Schäuble kritisiert die EZB-Politik: „Billiges Geld darf aber nicht den Reformeifer in einigen Ländern verringern. Strukturreformen sind ohne jede Alternative, wenn es wieder dauerhaft nach oben gehen soll.“

Januar 2015

Die EZB beschließt ohne weitere Zusagen aus Athen vor der Parlamentswahl ein gewaltiges Schuldenaufkaufprogramm. Ab März 2015 kauft sie Anleihen für 60 Milliarden Euro pro Monat.

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