© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Köppel wäre nicht der Erste
Schweiz: Der „Weltwoche“-Chef wechselt in die Politik und will die EU-Skepsis in den Nationalrat tragen
Ronald Gläser

Im März wird Roger Köppel 50 Jahre alt. Männer seines Alters neigen dazu, noch einmal etwas Neues anzufangen. Manche legen sich eine jüngere Lebensgefährtin zu, andere schaffen sich einen flotten Sportwagen an oder begeistern sich für eine Extremsportart. Köppel wagt dagegen den Ausflug in die Politik.

In der vergangenen Woche ist der Chefredakteur der Schweizer Weltwoche Mitglied der Schweizerischen Volkspartei geworden und bewirbt sich um einen Sitz im Nationalrat. Die „verheerende Politik der linken Mehrheit in Bundesrat und Parlament“ zwinge ihn dazu, begründet er den Schritt.

Die SVP sucht einen neuen Frontmann

Für die rechtsliberale Partei, die dringend ein neues Aushängeschild für den alternden Volkstribunen Christoph Blocher sucht, kommt der prominente Zugang wie gerufen. Als Weltwoche-Chef habe er sich mit seiner Redaktion dem linken und linksliberalen Medien-Mainstream widersetzt und damit rasch große Beachtung gefunden, auch über die Schweiz hinaus. Einen ausgezeichneten Namen habe er sich als mutiger, unbequemer und hartnäckiger Vertreter der Interessen der Schweiz auch im Ausland gemacht, teilte die SVP mit.

Bei den Wahlen im kommenden Herbst wird er, wenn nichts dazwischenkommt, auf der Liste der SVP für den Kanton Zürich stehen. Seine Chancen, in den Nationalrat einzuziehen, dürften aufgrund seiner Bekanntheit sehr gut sein. 2011 kam die Rechtspartei auf rund 26 Prozent der Stimmen, für diese Wahl hat sie das Überspringen der 30-Prozent-Hürde als Ziel ausgegeben.

Vor einem Jahr hatte der 49jährige den Sprung in die Politik noch ausgeschlossen, nun wagt der Top-Journalist den Seitenwechsel. In der Bundesrepublik erlangte Köppel Bekanntheit, als er von 2004 bis 2006 die Redaktion des Axel-Springer-Blattes Die Welt leitete, später wurde er gerngesehener Gast in zahlreichen TV-Runden, bei denen er als dezidierter EU-Gegner aufgetreten war. Nun möchte er sich in erster Linie für eine freie, unabhängige Schweiz einsetzen und die Marktwirtschaft fördern.

Für die Zigeunerausgabe 2011 hagelte es Kritik

„Die SVP vertritt dieses klassisch bürgerlich-liberale Gedankengut am wirkungsvollsten“, sagt Köppel. Dem telegenen Journalisten sagen langjährige Wegbegleiter aber auch einen gewissen Hang zur Eitelkeit nach, zudem soll ihn der Chefposten bei der Weltwoche zunehmend langweilen. Köppel hatte die Redaktionsleitung der Wochenzeitung erstmals im Jahr 2001 übernommen und das Blatt für SVP-Positionen und ihren Frontmann Christoph Blocher geöffnet. Im Jahr 2004 verfaßte Köppel gar einen Wahlaufruf zugunsten der SVP, 2005 als Welt-Chef dann einen zugunsten Angela Merkels.

Während seiner Zeit in Deutschland änderte sich die Ausrichtung der Wochenzeitung nicht. Nachdem im Jahr 2006 die Besitzverhältnisse unsicher wurden, stieg Köppel zunächst als Mehrheitsgesellschafter, später dann als Alleininhaber ein. Die Chefredaktion übernahm er parallel dazu erneut. Gerüchte, daß der Multimillionär Blocher bei der Finanzierung geholfen habe, um das Blatt auf Parteilinie zu halten, stritt Köppel stets ab. In den vergangenen Jahren bezog die Weltwoche vehement Stellung gegen eine zu große Annäherung an die EU, unterstützte das Einwanderungs-Volksbegehren der SVP und setzte sich kritisch mit der Masseneinwanderung auseinander.

Als die Wochenzeitung 2011 die Kriminalität durch Angehörige der Roma-Volksgruppe thematisierte („Die Roma: Sie kommen, klauen und gehen“), hagelte es Anzeigen wegen Volksverhetzung. Aber mehr als eine Rüge durch den Schweizer Presserat kam nicht dabei heraus.

Den Posten als Chefredakteur will Köppel übrigens behalten. Es sei nicht ungewöhnlich, daß Schweizer Chefredakteure in schwierigen Zeiten in die Politik einstiegen, sagte er und erinnerte an den freisinnigen Willy Bretscher (Neue Züricher Zeitung), den Sozialdemokraten Ernst Nobs (Volksrecht) und den Liberaldemokraten Peter Dürrenmatt (Basler Nachrichten). Deren Aktivitäten liegen allerdings schon mehr als 50 Jahre zurück. In der Bundesrepublik gab es nur wenige Fälle, in denen Journalisten die Seiten wechselten.

Rudolf Augstein hatte keinen richtigen Erfolg in der Politik

Ausgerechnet der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein, vermutlich der bekannteste deutsche Nachkriegsjournalist, kandidierte 1957 und 1972 für die FDP bei den Bundestagswahlen. Beim zweiten Anlauf gelang ihm sogar der Einzug ins Parlament, sein Mandat gab er aber nach nur drei Monaten wieder zurück: „Es war dumm von mir zu glauben, ein Journalist könne Politiker werden“, sagte er später. Roger Köppel sieht das anders. Er ist jedenfalls von einem Einzug in den Nationalrat überzeugt. In der Schweiz kommt es nämlich auf die reale Stimmenzahl an, Köppel selbst dürfte als Quereinsteiger einen hinteren Listenplatz bekommen. „Das dürfte kein Problem sein“, sagt er selbstsicher.

Foto: Roger Köppel: Im deutschen Fernsehen ist er ein gerngesehener Gast wegen seiner nonkonformen Haltung

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