© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

EU-Friedenstruppe für die Ostukraine?
Ein Einsatz wäre schlicht fahrlässig
Georg Pazderski

Während Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande weiterhin zu Recht fordern, daß sowohl die Separatisten und ihre Unterstützer als auch die ukrainische Regierung das am 12. Februar 2015 geschlossene Abkommen Minsk II „streng umsetzen“, rücken die Separatisten nach der Eroberung von Debalzewe weiter zum Asowschen Meer vor. Sie wollen so offensichtlich Fakten im Vorfeld einer abschließenden Regelung schaffen. Das ist ein Grund zu großer Besorgnis.

Ganz offenkundig sind trotz anderslautender Erklärungen aus Kiew die ukrainischen Verbände nicht in der Lage, die Separatisten und ihre Hintermänner zu stoppen. So sieht sich Präsident Poroschenko immer stärkerer Kritik auch im eigenen Land ausgesetzt, zumal sich auch bei den versprochenen Wirtschaftsreformen in der Ukraine kaum etwas bewegt. Der ukrainische Präsident ist angeschlagen.

Die Forderung nach einer EU-Mission hat das Ziel, die EU immer weiter in den Konflikt als pro-ukrainische Partei hineinzuziehen.

Poroschenko hat deshalb die Idee einer mit einem Mandat der Vereinten Nationen versehenen Polizeitruppe aus Angehörigen der Europäischen Union in die Diskussion gebracht. Dabei übersieht er zwei Dinge: Einmal kann es einen solchen Polizeieinsatz nur geben, wenn alle Konfliktparteien zustimmen. Das ist aber nicht zu erwarten. Denn die Europäische Union, die eine solche Polizeieinheit aufstellen soll, wird in Rußland und bei den Separatisten als enger Freund der ukrainischen Regierung gesehen. Die vorgeschlagene Polizeieinheit wäre aus dieser Sicht nicht neutral, sondern einseitig auf die Unterstützung der Position der ukrainischen Regierung ausgerichtet. Blauhelmeinsätze wie anderorts üblich hat die russische Führung ohnehin bereits abgelehnt. Es ist kaum vorstellbar, daß die russische Seite der vorgesehenen Polizeitruppe in den Entscheidungsgremien der Vereinten Nationen zustimmt.

Zum anderen kann eine ihrer Natur nach nur leicht bewaffnete Polizeitruppe aus den EU-Mitgliedsstaaten keineswegs in einer Situation eingesetzt werden, die nach wie vor von offener Gewalt unter Einsatz schwerer Waffen gekennzeichnet ist. Ganz offensichtlich denkt keine der beteiligten Parteien derzeit daran, die schweren Waffen aus der Konfliktzone abzuziehen, obwohl das in Minsk II ausdrücklich vereinbart worden ist. Wer in eine solche Umgebung Polizisten schickt, setzt sie leichtfertig einer großen Gefahr für Leib und Leben aus. Das dürfte auch Poroschenko als selbsterklärter „Präsident des Friedens“ wissen. Wer dagegen in der Europäischen Union einem solchen Polizeieinsatz, selbst mit einem Mandat der Vereinten Nationen, zustimmt, handelt schlichtweg fahrlässig.

Wenn aber klar ist, daß der Einsatz einer Polizeitruppe aus den Mitgliedsländern der EU weder realistisch noch sinnvoll ist, stellt sich die Frage, warum Präsident Poroschenko eine solche Idee lanciert. Einer seiner Beweggründe dürfte sein, die EU noch stärker in den Konflikt hineinzuziehen und einseitig zugunsten der Position der ukrainischen Regierung in Stellung zu bringen. Ihm geht es dabei offenkundig in erster Linie um einen kurzfristigen innenpolitischen Punktgewinn und die Stabilisierung der eigenen Position als Staatsoberhaupt. Zudem hofft er auf einen Prestigegewinn in der Europäischen Union, indem er versucht, die EU zum unparteiischen Garanten des Friedens zu machen, eine Position, die er freilich selbst durch seine Kontakte zur EU und seine Auftritte bei Veranstaltungen immer wieder ad absurdum führt.

Die ukrainische Führung kann folgerichtig kein echtes Interesse an der Umsetzung von „Minsk II“ haben, da sie letztendlich ein Eingeständnis der ukrainischen Unterlegenheit und einen Gesichtsverlust vor dem eigenen Volk darstellt.

Poroschenkos Forderung nach einer EU-Mission hat einzig und allein das Ziel, die EU immer weiter in den Konflikt als pro-ukrainische Partei hineinzuziehen. Darauf darf sich die EU nicht einlassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist jedenfalls gut beraten, wenn sie Vorschläge zur Lösung des Ukraine-Konflikts, egal von welcher Seite sie kommen, weiterhin sehr sorgfältig abwägt. Nicht immer, wenn die EU ins Spiel gebracht wird, ist das zum Nutzen der Europäer, und eine Instrumentalisierung der EU – egal von welcher Seite – sollte tunlichst vermieden werden.

 

Georg Pazderski, Jahrgang 1951, ist Bundesgeschäftsführer der Alternative für Deutschland (AfD) und Leiter des Bundesfachausschusses Außen- und Sicherheitspolitik der Partei

Der für Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn erteilte dem Wunsch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko eine Abfuhr. Eine bewaffnete Friedenstruppe der EU werde es in der umkämpften Ostukraine nicht geben. Zwar bezeichnete der Österreicher die dortige Lage als „sehr besorgniserregend“, sprach gar von einer „humanitären Katastrophe“, doch appellierte er an „alle Verantwortlichen, dafür zu sorgen, daß das Minsker Abkommen umgehend umgesetzt“ werde. Ziel der EU sei es, nach Einhalten des Waffenstillstandes und des Abzugs der schweren Waffen – wie in Minsk vereinbart – die OSZE-Beobachtermission (OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine) zu verstärken. Hahn unterstrich, daß die EU die Ukraine weiterhin wirtschaftlich unterstützen werde. Auch bei der Korruptionsbekämpfung und der Umsetzung der Reformen könne die Ukraine auf die Hilfe der EU zählen.

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