© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Frisch gepresst

Am Meer. Als erstes, im Sommer 1816 eröffnetes Seebad Preußens lud das Fischerdorf Cranz, am Fuß der Kurischen Nehrung gelegen, zum Bade. Zoppot wurde kurz darauf das nasse Eldorado des distinguierten Danziger Bürgertums und rangierte um 1900 vor Biarritz oder Ostende unangefochten als „Weltbad“. In Pommern entwickelten seit 1824 Swinemünde, Theodor Fontanes Kindheitsparadies, und Misdroy eine magnetische Anziehungskraft auf das vornehmlich aus Berlin zuströmende Publikum – ebenso wie Binz auf Rügen, das „nordische Sorrent“. Diese Zentren des deutschen wie europäischen Badetourismus bleiben in Dieter Richters „Geschichte der ältesten Landschaft“, dem Meer, unberücksichtigt. Richter, Jahrgang 1938, in Bremen und Süditalien lebend, verengt als guter Toskana-Deutscher sein kulturgeschichtlich interessantes Thema eben lieber auf den bundesrepublikanischen Tunnelblick. Jenseits solcher Reduktionen steht der wenig originelle, aber geschickte Kompilator aber treu zum Werbeversprechen des Verlages, dem Leser „jede Menge Abenteurer und Entdecker, Inseln, Tiefseeforschung und Badelust“ präsentieren zu können. (dg)

Dieter Richter: Das Meer. Geschichte der ältesten Landschaft, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2014, gebunden, 236 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro

 

Preußen. In 16 Porträts läßt Volker Hentschel preußische Geschichte im Zeitalter Napoleons wieder aufleben. König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, die Reformer Stein, Hardenberg und Humboldt, die Helden der Befreiungskriege, Scharnhorst, Gneisenau und Yorck, ferner die Dichter Kleist und E.T.A. Hoffmann sowie der Theologe Schleiermacher treten auf, und auch Außenseiter wie Rahel Levin, Paula Wiesel, der konservative Frondeur Friedrich August von der Marwitz, die Ärzte Hufe-land und Koreff. Über die meisten dieser Persönlichkeiten geben Berge von Literatur Auskunft. Trotzdem ist es Hentschel gelungen, eigene Akzente zu setzen und neue, im Falle von Stein und Humboldt auch äußerst kritische Perspektiven zu eröffnen. Die wissenschaftliches Niveau haltende Porträtreihe wendet sich ausdrücklich nicht an Experten, sondern an Leser, die an bedeutenden Menschen interessiert sind und „umfassend“ unterrichtet sein wollen. Ein Anspruch, der kaum zufriedenstellender hätte erfüllt werden können. (wm)

Volker Hentschel: Preußische Porträts. Zwischen Revolution und Restauration. Lau Verlag/Olzog, Reinbek/München 2014, gebunden, 742 Seiten, 39,80 Euro

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