© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/15 / 06. März 2015

Knapp daneben
Ein Dorn im Auge der Schnorrer
Karl Heinzen

Das Bundeskartellamt hat gegen den Tickethändler Eventim ein Verfahren eingeleitet, um zu überprüfen, ob er seine marktbeherrschende Stellung mißbraucht. Parallel dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft München gegen den Unternehmensgründer Klaus-Peter Schulenberg wegen des Verdachts, er habe einen DFB-Funktionär bestochen. Die konzertierte Aktion der Staatsmacht erweckt den Anschein, die heilige Kuh des freien und fairen Wettbewerbs zu schützen. Tatsächlich läßt sie sich jedoch in populistischer Manier vor den Karren unlauterer Verbraucherinteressen spannen.

Zwar geben die Einwohner unseres Landes Jahr für Jahr immer noch über eine Milliarde Euro aus, um Musik auf Tonträgern oder im Internet hören zu dürfen. Schon bald werden aber auch die letzten digitalen Analphabeten ausgestorben sein, die nicht wissen, daß nahezu alles, was ihr Herz begehrt, gratis und risikolos zugänglich ist.

Gegen die Zahlungsverweigerung der Fans bliebe den Künstlern nur noch das Verstummen als Machtmittel.

Verbleiben werden dann nur noch einige wenige sentimentale Kulturpfleger: Als Teenager haben sie ihr Taschengeld gespart, um sich die ersehnte Langspielplatte zu gönnen, und überhaupt müssen die Künstler ja auch etwas davon haben, daß sie so schöne Musik machen. Solche Wohltäter sollten den Einkaufsbeleg wie eine Spendenquittung steuerlich geltend machen dürfen.

Den Künstlern bleibt in Zukunft nur ein Geschäftsmodell: Sie müssen versuchen, mit Konzerten Kasse zu machen. Schon in den vergangenen Jahren sind die Eintrittspreise auf astronomische Höhen geklettert. Ohne den Beistand von Eventim wäre dies vielleicht so nicht möglich gewesen. Die Marktmacht des Unternehmens hat verhindert, daß Dumpinganbieter die Preise kaputtmachen. Den zu Schnorrern verkommenen Musikliebhabern ist dies ein Dorn im Auge. Sie wollen alles umsonst, da es undemokratisch wäre, jemanden vom Kunstgenuß auszuschließen, bloß weil er dafür kein Geld ausgeben will. Wenn es ihnen gelingt, Eventim in die Knie zu zwingen, brechen für die meisten Musiker düstere Zeiten an. Gegen die Zahlungsverweigerung der Fans bliebe ihnen dann nur noch das Verstummen als letztes Machtmittel.

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