© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/15 / 13. März 2015

Frisch gepresst

Sprachpflege. Spätestens seit den Erfolgsbüchern von Bastian Sick („Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“) ist offensichtlich: Sprachpflege ist keineswegs ein staubtrockenes Sujet für ergraute Miesepeter, die den Gesichtserker über den Sittenverfall rümpfen. Daß ein ernstes Thema – die Verhunzung eines kostbaren Kulturguts – durchaus unterhaltsam aufbereitet werden kann, beweist auch Andreas Hock. Deutsch sei zum linguistischen Auslaufmodell geworden, beklagt der Journalist und benennt die Verantwortlichen: Bürokraten, die uns mit Behördensprech traktieren, Politiker, die um den heißen Brei herumlabern, Wissenschaftler, die uns mit Gender Mainstreaming das Binnen-I oder das End-X bescherten oder all die großspurigen Verkaufsfuzzis mit ihren Coffee-to-gos, oder Sales oder Countern. Hock entläßt allerdings jeden einzelnen nicht aus der Verantwortung, geißelt die allgemein verbreitete Schwatzhaftigkeit und fordert uns alle auf, so schöne Wörter wie Backfisch, Missetat, kapriziös oder scharwenzeln nicht dem Aussterben preiszugeben. (vo)

Andreas Hock: Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? Über den Niedergang unserer Sprache. Riva Verlag, München 2015, broschiert, 185 Seiten 14,99 Euro

 

Gerichtsbetrieb. Ein einschlägig vorbestrafter Bulgare klaut einige Flaschen Schnaps im Supermarkt. Jetzt steht er vor Gericht. Hat er den Filialleiter geschubst oder nicht? War es ein Überfall? Mit solchen Fragen beschäftigen sich Richter tagaus, tagein. Auch Marc Baumann hat das jahrelang gemacht. Wie in vielen amerikanischen Spielfilmen begann seine Geschichte damit, daß er gegen seinen Willen zum Schöffen berufen wurde. Von 2009 bis 2014 saß er in München über kleine und größere Gauner zu Gericht. Dabei tat er all die Dinge, die ein Richter so macht: Er mußte Angeklagte mangels Beweisen laufenlassen und eigentlich harmlose Familienväter wegen unbezahlter Rechnungen ins Kittchen schicken. Er hat es nicht gerne gemacht und verspürte dennoch Wehmut beim Abschied. Sein Buch ist eine hervorragend geschriebene Aneinanderreihung dieser Anekdoten aus dem deutschen Gerichtsbetrieb – wie ein professioneller Jurist sie nie schreiben könnte, weil er vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Baumanns kurzweiliges Werk ist gerade jenen Bürgern zu empfehlen, die mit dem Gedanken spielen, selbst einmal als Schöffe anzutreten. (rg)

Marc Baumann: Richter Ahnungslos. Wie ich unfreiwillig Schöffe wurde und was ich dabei über Recht und Unrecht gelernt habe. Rororo, Reinbek 2015, broschiert, 154 Seiten, 9,99 Euro

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