© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Wenn selbst das Geld für die Korruption fehlt
Streit um Griechenland: Thilo Sarrazin und der Ökonom Stefan Homburg malen in Berlin ein düsteres Bild von der Schuldenkrise
Christian Dorn

Mit dem Sparen kennt sich Thilo Sarrazin aus. Als Berliner Finanzsenator waren seine Sparvorschläge etwa für die Bezieher von Hartz IV, für die er eigens einen Speiseplan entwickelte, legendär. Kein Wunder also, daß der mittlerweile zum Bestsellerautor avancierte frühere Bundesbankvorstand auch zur Schuldenkrise Griechenlands eine pointierte Meinung hat, wie auf der Podiumsdiskussion „Zwischen Grexit und Schuldenschnitt – Die unendliche Krise des Euro“ deutlich wurde.

Hier spekulierten in der vergangenen Woche mit Sarrazin und Stefan Homburg zwei ausgewiesene Finanzexperten über die währungsökonomische Zukunft der Hellenen. Vor dem Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) und der Denkfabrik Open Europe stimmten beide überein, daß die Diskussion über einen Schuldenschnitt „vollständig irrelevant“ sei, so Sarrazin, da aufgrund des geringen Zinses und der aufgeschobenen Tilgung gar keine Notwendigkeit hierfür bestehe. Gleiches gelte eigentlich für den „Grexit“, der bislang als absolut unwahrscheinlich galt.

„Grexident“ immer wahrscheinlicher

Einziger Umstand, der den Euro-Austritt Griechenlands nunmehr möglich erscheinen lasse, seien die Eskapaden der griechischen Regierung, die „Beleidigungen wie mit der Artillerie über den Kontinent geschickt“ habe, so Sarrazin. Der AfD-Berater Stefan Homburg bezeichnete das Verhalten der griechischen Regierung daher als „völlig irrational“. Weil diese sich den verlogenen Sprachspielen („strenge Regeln“, „Regeln, die greifen“) verweigert und stattdessen Drohungen ausstößt, mache sie es den EU-Geberländern schwer, noch Argumente zu finden, um den Griechen weiteres Geld zu geben. Daher werde ein „Grexident“ als politischer Betriebsunfall immer wahrscheinlicher. Auch Sarrazin sieht die Lösung des Euro-Problems Griechenland in einem Szenario „wie beim Mauerfall – der kam, als sich jemand versprochen hat“. Danach würde man feststellen, „daß die Welt nicht untergeht“ – ganz anders als der Euro-Advokat der Bundesregierung Clemens Fuest, der den Euro-Klägern zynisch entgegnet hatte, ob man denn im Namen des Rechts auch die Welt untergehen lasse (JF 14/13).

Verschärfen werde sich die Situation zudem durch fehlende Schmiermittel. Denn „inzwischen fehlt auch das Geld für die Korruption“, so der einstige Bundesbankvorstand Sarrazin. Aufgrund fehlender Umlaufmittel werde Griechenland schließlich genötigt sein, staatliche Schuldscheine auszugeben, was die schleichende Einführung einer Parallelwährung nach sich ziehe. Diese „spontane Ordnung“ einer Zweitwährung wurde auch von Homburg favorisiert, der hierzu auch auf das Theorem des Ökonomen Thomas Mayer verwies. Andererseits, so Homburg, sehe er die Möglichkeit zum „Fixit“: Finnland und die Niederlande würden die ersten sein, die einen geordneten Euro-Austritt vornehmen. Im Unterschied zu Deutschland hätten in beiden Ländern Kommissionen diesen Schritt durchgerechnet.

Bezeichnend erscheint in dieser Debatte die jüngste Äußerung des griechischen Finanzministers, der die Finanzierungsprobleme seines Landes als „unbedeutende kleine Liquiditätsprobleme“ herunterzuspielen versucht. Tatsächlich, so Homburgs Verdikt, sei Varoufakis nur ein „zweitklassiger Ökonom“. Bei Schäuble und Merkel, deren IQ deutlich über 130 liege, halte er es aber für „unmöglich“, daß diese die Konkursverschleppung nicht bemerkten. Deshalb warnte Homburg: „Sie dürfen nicht die schauspielerischen Leistungen unserer Regierung für bare Münze nehmen“, und fügte an: „Wer ehrlich bleiben will, geht an die Uni, wer Geld verdienen will, in die Politik“.

Sarrazin merkte mit Blick auf Bremen kritisch an: „Auch in Deutschland betreiben wir Insolvenzverschleppung.“ Eigentlich, ergänzte Berlins einstiger Finanzsenator, müßte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)den Ausfall der 65 Milliarden Euro im Haushalt verbuchen. Denn „das waren uneinbringbare Schulden, und das bleiben sie auch“. Beim Grexit müßten diese als Defizit abgeschrieben werden, so Homburg, „das ist Schäubles Angst“. aber kein Grund zur Sorge: „Ich werde mich nicht ändern.“

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