© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Noch Luft nach oben
Deutscher Immobilienmarkt: Noch keine Preisblase in attraktiven Lagen / Leerstand im Nordosten
Markus Brandstetter

Die Immobilienpreise in Deutschland steigen und steigen – und es ist kein Ende in Sicht. In den letzten fünf Jahren haben sich die Preise für Wohngebäude um elf Prozent und die für Bürogebäude um zwölf Prozent erhöht. Mit den Immobilienpreisen sind auch die Mieten gestiegen, zwar nur um sieben Prozent im selben Zeitraum, aber das ist der Durchschnitt für ganz Deutschland. In Wahrheit sagen solche Durchschnittszahlen bei Immobilien und Mieten wenig aus, denn die Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen München und Duisburg, Freiburg und Rostock sind riesengroß.

Der deutsche Immobilienmarkt brummt ohne Ende, aber die Entwicklung ist regional unterschiedlich, disparat und widersprüchlich. Nach der Meinung von SPD, Gewerkschaften oder dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist das alles furchtbar ungerecht, nach der Einschätzung von Immobilienbesitzern ist es vielleicht nicht ungerecht, aber doch widersprüchlich, ja beängstigend. Was ist also los mit dem deutschen Immobilienmarkt? Ist das Ende des Aufschwungs schon erreicht? Droht tatsächlich die von Zeitungen und Magazinen beschworene Immobilienblase? Steht der Markt vor einem Absturz?

München bleibt mit Abstand die teuerste Großstadt

Zuerst die Konstanten: Der Süden und der Westen entwickeln sich besser als der Norden und der Osten; große, attraktive und belebte Städte sind besser als das platte, einsame Land; Ein- und Mehrfamilienhäuser schlagen Wohnblöcke; schicke neue Hütten in Würfelform mit Wärmepumpen, Sonnenkollektoren und Passivbauweise sind der Traum gutverdienender junger Menschen mit Familie, während alte Burgen mit Glasbausteinen, Ölheizungen, Waschbetoneinfahrten und Wäschespinnen ihr Alptraum sind.

Vor vierzig Jahren, als Benzin und Autos billig waren und die Hausfrauen in kleinen Küchen noch echte Gerichte kochten, wollten alle aufs Land. Jetzt, da Pendeln teuer ist, in edlen Gastro-Küchen aufgetaut und aufgewärmt wird und fast alle Frauen arbeiten, wollen alle zurück in die Stadt – dahin, wo es Kindergärten, Schulen und Nachhilfe für die Kinder und Kneipen, Schwof und Gespräche für die Alten gibt.

Unter den 50 teuersten Städten für Eigentumswohnungen ist keine einzige in den Neuen Ländern dabei. Angeführt wird die Liste seit Jahren von München, wo Eigentumswohnungen im Schnitt 5.000 Euro pro Quadratmeter kosten, dann kommen Konstanz, Freiburg, Hamburg und Frankfurt am Main, wo überall der Quadratmeter noch mehr als 3.000 Euro kostet, und selbst in Wangen im Allgäu muß man noch 2.500 Euro blechen, um in den eigenen vier Wänden leben zu dürfen.

Wie die Wohnungen, so die Mieten. Auch die steigen seit Jahren, wenn auch geringer als die Preise der Immobilien. In Leipzig liegt die Kaltmiete pro Quadratmeter bei fünfeinhalb Euro, in Stuttgart ist der Preis doppelt so hoch, und in München werden mindestens zwölf Euro je Quadratmeter aufgerufen.

Fünf Gründe gibt es für diese Entwicklung: der erste ist die schlichte Tatsache, daß zwischen 2001 und 2014 deutlich weniger Wohngebäude gebaut wurden, als die Menschen nachfragten. Seit der Weltfinanzkrise im Jahr 2007 werden in Deutschland im Jahr keine 100.000 Wohnungen fertiggestellt. Das ist viel zuwenig: 2001 hatte diese Zahl noch bei 178.000 gelegen. 200.000 müßten es sein, wenn sich die Situation jemals wieder entspannen sollte.

Der zweite Grund liegt in den niedrigen Zinsen, die diejenigen, welche Geld haben, dazu zwingen, in Haus und Grund zu investieren, während diejenigen, die keines haben, es nun so billig leihen können, daß sie dumm wären, kein Haus zu kaufen. Ein Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kostet heute 2,5 Prozent Zinsen, vor zehn Jahren waren es noch fünf Prozent. Dank EU und EZB werden die Zinsen noch viele Jahre lang niedrig bleiben müssen, also werden in den Ballungsgebieten weiterhin die Nachfrage heftig und die Preise hoch sein.

Deutsche Immobilien gelten als ein sicherer Hafen in einer ansonsten europaweit unruhigen See – das ist der vierte Grund. In Holland, Spanien und Italien fallen die Preise, von Griechenland wollen wir gar nicht reden. Also kaufen Immobilienfonds, Investmentgesellschaften und reiche Privatleute aus der ganzen Welt deutsche Immobilien en bloc auf, was auch der Grund dafür ist, daß gerade bei Neubauten die schönsten Wohnungen in den besten Lagen immer gleich weg sind.

Keine Gründe für eine Immobilienblase erkennbar

Der fünfte und letzte Grund liegt in unserer veränderten Lebensweise: Immer mehr Menschen leben allein, wollen aber trotzdem soviel Platz haben wie eine Familie. Gutverdienende Singles in 120-Quadratmeter-Wohnungen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Alle diese Faktoren lassen keine Gründe für eine Immobilienblase erkennen.

Auch die Vergleiche mit Spanien, Holland und den USA überzeugen nicht. Die Spanier haben zehn Jahre lang Hunderttausende Wohnungen, die nie einer gebraucht hat, in die Pampa gestellt, alles auf Pump finanziert, und waren dann überrascht, daß die Schmuckstücke keiner haben wollte. Holländer und Amerikaner haben viel zu lange, stets in der Erwartung endloser Preissteigerungen, hundert Prozent und mehr des Kaufpreises einer Immobilie mit Darlehen zu variablen Zinssätzen finanziert. Nichts von all dem trifft auf Deutschland zu. Deshalb gibt es bei uns auch keine Immobilienblase.

Foto: Immobilienangebot in Berlin-Wilmersdorf: Es wird gebaut und munter vermietet, aber nur in Ballungszentren – auf dem Land fallen die Preise

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