© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/15 / 20. März 2015

Nicht jede Behauptung stimmt auch
Rezension: Recherchieren Texter eigentlich gar nicht? Ein Buch zeigt böse Schnitzer der Werbeindustrie
Tobias Dahlbrügge

Werbung beeinflußt manchmal die Alltagssprache. Werbebegriffe wie „unkaputtbar“ sind längst in den Sprachschatz eingezogen. Das gelingt, wenn die Schöpfungen der Werbetexter originell oder lustig sind. Überwiegend sondern die Vertreter der Branche, in der nicht gesprochen, sondern kommuniziert wird, aber Stuß ab. So wie den berüchtigten Nervtöter „Gillette – für das Bäheste im Ma-ha-hann“.

Die Emission von bescheuerter Reklame hat sich potenziert, seit jeder Gemüsehändler meint, einen „Claim“ (zu deutsch: eine Behauptung) unter sein Markenzeichen setzen zu müssen, und durch die Verfügbarkeit professioneller Graphik-Software auch jeder Depp seine Werbung selbst fabrizieren kann.

Ein „Best of“ der Reklame-Komik

Was soll ein Kunde von einem Optiker halten, der mit dem kryptischen Spruch wirbt: „Wenn das klassische Aparte Brüche erfährt, die in die Zukunft weisen?“ Den Wettbewerb um die verrücktesten Firmennamen gewinnt jedoch eindeutig die Friseur-Innung. Salons mit Namen wie „Haarklein“, „Haargenau“, „Vier Haareszeiten“, „Kamm in!“ oder „JennifHAIR“ sind bundesweit eine Plage.

Die Zahl der Unternehmen, die mit dem Zusatz „Für Sie vor Ort“ (oder „Vor Ort für Sie“) werben, ist nicht mehr darstellbar – von der Deutschen Automobil Treuhand DAT bis zum Krankenhausträger Vivantes. Dasselbe gilt für Firmen, die dazu auffordern, einen unbestimmten Unterschied zu erleben. Recherchieren Texter eigentlich nicht, ob ihre erstbeste Idee schon andere Kollegen hatten?

In einer Facebook-Gruppe mit dem vielsagenden Namen „Da kotzt das Texterherz“ sammeln und kommentieren Fachleute die skurrilsten Beispiele mißlungener Werbung. Die Profilbetreiber Peter Berberich und Edda Klampfer haben ein „Best of“ der unfreiwilligen Reklame-Komik im Münchner Riva-Verlag als Buch herausgebracht, zum Mitlachen und Fremdschämen. Platz zwei der schlimmsten Kreativ-Unfälle backt sich das Bäckerhandwerk. Da wird mit „Brotschaften“ geworben, nennen sich Bäckerei-Cafés „Bäckaurant“ oder neoinfantil die „Gebäckstreet Boys“ – Au Bäcker!

Rotarschfilet und Rattenzahlung

Ein Kommentator bemerkt: Lustig wäre, wenn sich eine Maurerfirma „Backstein Boys“ nennen würde. Tatsächlich gibt es ein Abbruchunternehmen, das mit dem Spruch „Schutt happens“ wirbt.

Nicht nur kleine Betriebe kommen auf großen Quatsch: Ein schlüpfriges Spiel mit Ortsnamen hat sich die Deutsche Post ausgedacht: „Von Kissing bis Petting schaffen wir es in einer Nacht“. Wie witzig! Aber ob die Fracht es auch bis ins oberösterreichische Fucking (einen Ortsteil in der Katastralgemeinde Hofstatt der Gemeinde Tarsdorf im Bezirk Braunau am Inn) schafft? Und bitte, liebe Texter: Verkneift euch App-gelutschte Wortspiele mit einer App für das Smartphone, wie „Darauf fahren Sie App“ und ähnliches. Besonders heimgesucht von peinlicher Werbung wird das ansonsten schöne Ahrtal: Hier werben der „VersicherungsmAHRkler“ und etliche Restaurants mit dem Angebot Ahr-la-Carte. AHRgh!

Ein Kapitel für sich sind die zahllosen Rechtschreibfehler auf Werbetafeln. Da wird „Darmhirsch“, „Rotarschfilet“ oder „Rattenzahlung“ angepriesen. Das englische Wort „light“ bereitet deutschen Geschäftsleuten „leighder“ so viele Schwierigkeiten, wie es falsche Schreibweisen gibt. Die vielgesehene „Vortbildung“ könnte da helfen.

Auch Parteienwerbung kann mächtig danebengehen. In Essen plakatierte die FDP einen sichtbar schwergewichtigen Lokalvertreter mit der Forderung: „Für intakte U-Bahn-Rolltreppen“. Plakativer konnte das Eigeninteresse kaum dargestellt werden. Nicht nur der Inhalt, auch die Plazierung kann eine Stolperfalle sein, so am Bahnhof Berlin-Spandau, wo im Wahlkampf zwei Großflächenplakate links und rechts vom Aufgang prangten. Links: „Hier sind Sie am Zug. SPD“ Rechts: „Hier sind Sie am Zug. CDU“ Zwei Bekloppte, ein Gedanke, heißt es da wohl.

Aber wenn ein Gemüsehändler neben zwei Konterfeis von Politikerinnen groß sein Angebot für „Gurken“ plakatiert – ist das Unaufmerksamkeit oder eine subversive Protestform?

Peter Berberich / Edda Klampfer: Da kotzt das Texterherz.

Riva-Verlag, München 2015, 160 Seiten, broschiert, 9,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen