© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Die USA sind wieder der größte Erdölproduzent der Welt
Fördern, was das Zeug hält
Markus Brandstetter

Seit einem Dreivierteljahr fällt der Ölpreis. Im Juni 2014 kostete ein Faß (knapp 159 Liter) der europäischen Sorte Brent am Londoner Spotmarkt noch 115 Dollar. Seitdem geht es so rasch bergab mit dem Preis, wie seit der Lehman-Pleite 2008 nicht mehr. Im Januar dieses Jahres wurden sogar Preise unter der 50-Dollar-Barriere quotiert. Ende voriger Woche lag der Preis unter 54 Dollar, die US-Sorte WTI war sogar für 45 Dollar zu haben. Der wichtigste Energierohstoff der Welt hat innerhalb von neun Monaten die Hälfte seines Wertes eingebüßt.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Und werden die Preise weiter sinken? Oder werden sie wieder anziehen? Und welche Auswirkungen hat das eigentlich auf wen? Der Hauptgrund für den Preisverfall liegt eindeutig darin, daß die USA seit 2009 jeden Tag vier Millionen Barrel Öl zusätzlich auf den Weltmarkt schmeißen.

Das ist fast die Hälfte der Tagesproduktion von Saudi-Arabien und mehr als das, was der Iran oder der Irak produzieren, die pro Tag um die drei Millionen Fässer aus der Erde pumpen. Die Amerikaner sind nach hundert Jahren wieder zu dem geworden, was sie bereits einmal waren: der größte Erdölproduzent der Welt. Mit 13,6 Millionen Fässern am Tag fördern sie heute mehr Öl als Rußland, der weltweit zweitgrößte Produzent mit 10,5 Millionen Barrel Öl.

Das Zauberwort hinter dem US-Ölwunder heißt „Fracking“. Das ist ein vergleichsweise teures Verfahren, mit dem man Erdöl aus tiefliegendem Ölschiefer herauslöst. Dazu werden unter hohem Druck große Mengen an Wasser, Sand und Chemikalien in die Gesteinsschichten eingepreßt, womit das im Schiefer enthaltene Öl extrahiert wird.

Wenn früher zuviel billiges Öl auf die Weltmärkte gelangte, dann fuhren die Saudis jedesmal ihre Produktion zurück, bis die Preise wieder stiegen. Seit einigen Jahren aber greifen die Ölscheichs immer seltener regulierend in die Märkte ein und produzieren einfach weiter – egal, wo der Preis liegt. Der Grund: sie wollen, daß die Tiefpreise die amerikanischen Fracking-Produzenten wieder aus dem Markt drängen.

Ob das klappt, ist fraglich. Die US-Produzenten sind klein, flexibel und weltweit Technologieführer. Die können sich auf Preisschwankungen schneller einstellen als große Konzerne und ganze Länder mit halbstaatlicher Erdölindustrie. Bedenkt man dann noch, daß die Russen fördern müssen, was das Zeug hält, weil sie eine massive Aufrüstung und den Konflikt mit der Ukraine zu finanzieren haben, dann ist vorerst nicht mit höheren Ölpreisen zu rechnen.

Für Autofahrer und die Renditen der Chemieindustrie ist das eine feine Sache, für Länder wie Nigeria oder Venezuela, wo Staat und Gesellschaft und das Leben der Armen direkt am Öl hängen, eine Katastrophe.

Aktuelle Ölpreise (Brent/WTI) in Dollar: www.finanzen.net/

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