© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Martin Walser über Gott und die Welt
Medien: Zu seinem Geburtstag hat sich der Schriftsteller auf ein launiges Frage-und-Antwort-Spiel eingelassen
Richard Stoltz

Etwas Originelles in der Berliner tageszeitung (taz). Dem Dichter Martin Walser, der am Dienstag dieser Woche 88 Jahre alt wurde, hat ein Interviewer dort einen langen Katalog mit Stichworten vorgelegt, mit der Bitte um allerkürzeste Antworten, und der Jubilar ist gutgelaunt darauf eingegangen. Das Resultat kann sich sehen lassen. Man hat Spaß beim Lesen und fühlt sich am Ende (dennoch) seriös belehrt.

Einige Beispiele: „Mutter-Sohn-Beziehung? Die einzige Beziehung, die kein Warum braucht. Realität? ist ein Wort, um das Wirkliche manipulierbar zu machen. Erotik? ist ein Fremdwort. Sex? Ist eine Sportart, von der ich immer wieder höre. Macht? zu haben, verdirbt jeden. Kapitalismus? Wie jeder -ismus: Übertreibung einer verständlichen Aktivität.“

Einige Auskünfte beziehen sich auf die aktuelle Lebenssituation des Autors, und auch diese werden knapp und präzise beantwortet. „Altwerden? ist leichter als alt sein. Rauchen? Ich bin ein Raucher, der nicht raucht. Trinken? Ich trinke, um es auszuhalten. Lotto? ist von allen Spielarten übriggeblieben; zweimal pro Woche wird mir bewiesen, daß ich nicht gewinnen kann. Grabsteinspruch? Von – bis. Gott? Ist der Triumph der Sprache über die Erfahrung.“

An einigen Stellen des Stichwort-Katalogs wird es dann aber doch eine Spur ausführlicher: „Literaturkritiker? sind Schriftsteller, die, um über sich selbst schreiben zu können, über andere Schriftsteller schreiben müssen. Das kann nicht immer angenehm sein. Vorwurf, der VW unter den deutschen Schriftstellern zu sein? Wer das als Vorwurf gemeint hat, versteht nichts von Autos.“

Das ging offenbar unter die Haut. Der Interviewer beschließt seinen Katalog jedenfalls mit der Auskunft: „Die Fragen stellte Alem Grabovac, 41, taz-Autor, er versteht nichts von Autos“. Das klingt etwas pikiert, Augenzwinkern natürlich einbegriffen. Martin Walser aber hat hier, so scheint es fast, mehr über sich preisgegeben, als in all seinen dickleibigen Tagebuchbänden enthalten ist.

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