© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Anschluß an die Weltspitze
Einfach vollkommen: Eine Uhren-Ausstellung im Dresdner Zwinger
Paul Leonhard

Sachsens Weg in die internationale Uhrenwelt zeichnet eine Ausstellung nach, die unter dem Titel „Einfach – Vollkommen“ derzeit im Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdner Zwinger zu sehen ist. Gewidmet ist sie dem 200. Geburtstag von Ferdinand Adolph Lange, dem Begründer der Uhrenproduktion im westsächsischen Glashütte, die seit der deutschen Wiedervereinigung durchaus den Anschluß an die Weltspitze gefunden hat. Glashütte könne mit den besten Standorten in der Schweiz konkurrieren, versichert Peter Plaßmeyer, der Direktor des Mathematisch-Physikalischen Salons.

Anhand von rund 80 Exponaten erzählt die Schau die Geschichte der Präzisionsuhrmacherei in Sachsen. Sie schildert die Zeitspanne von der Entstehung der ersten Präzisionsuhren bis zur Entwicklung einer hochwertigen Serienproduktion anhand der Werke dreier herausragender Persönlichkeiten. Vorgestellt werden die Werdegänge des Amateurs Johann Heinrich Seyffert (1751–1817) und des Uhrmachermeisters Johann Christian Friedrich Gutkaes (1785–1845). Als Pioniere der sächsischen Präzisionsuhrmacherei schufen sie fernab der großen Uhrenzentren in England, Frankreich und der Schweiz die Voraussetzungen für Ferdinand Adolph Langes (1815–1875) erfolgreiche Gründung einer Taschenuhrenfabrik in Glashütte.

Die Chance des Jubiläums hat Plaßmeyer auch genutzt, um daran zu erinnern, daß der 1728 von August dem Starken als „Palais des Sciences“ eingerichtete Zwinger einst Mittelpunkt der „sächsischen Zeitgeschichte“ war. Um 1780 wurde der Salon zu einem Ort der beobachtenden Astronomie und war als solcher auf die Präzisionszeitmessung angewiesen. So wurden hier die ersten Präzisionspendeluhren gebaut. Mehr als 150 Jahre bestimmte das Kabinett die öffentliche Zeit und war damit das „Greenwich“ von Sachsen: Über eine Nord-Süd-Linie wurde aus dem Zwinger die Ortszeit mit Hilfe eines Passageinstrument genannten Fernrohrs und einer Präzisionspendeluhr ermittelt. Nach dieser stellte der Ratsuhrmacher die Uhr der Kreuzkirche, die Leituhr Dresdens.

Der gebürtige Dresdner Ferdinand Adolph Lange sei übrigens erst bei einem Praktikum im Zwinger auf die Idee gekommen, bei Friedrich Gutkaes das Uhrmacherhandwerk zu erlernen, erzählt Plaßmeyer. Daß Lange von seinem Können bereits als Lehrling überzeugt war, beweist eine Uhr, auf der in Latein nicht nur „erfunden und hergestellt von Gutkaes“ eingraviert ist, sondern etwas versteckt auch eine zweite Gravur zu entdecken ist, die auf Ferdinand Adolph Lange verweist.

Anknüpfend an die Bestrebungen seiner Vorgänger, stellte Lange die Uhrmacherei auf eine konsequent wissenschaftliche Basis. Er führte das metrische System in die Uhrmacherei ein, erfand Meßinstrumente wie das Dosenmikrometer und spezielle feinmechanische Werkzeuge und entwickelte ein eigenes Hemmsystem. So konstruierte Lange ein Uhrwerk, das hohe Präzisionsansprüche erfüllte und zugleich den Notwendigkeiten einer seriellen Fertigung genügte. Auf diese Weise produzierte er schließlich Uhren, die einfach und dabei vollkommen waren. Daran erinnert in der Sammlung auch das Ziffernblatt eines Regulators mit der Aufschrift „Gutkaes & Lange“.

Die Ausstellung präsentiert neben den eigenen Beständen aus dem Mathematisch-Physikalischen Salon bedeutende Leihgaben, darunter so außergewöhnliche Uhren wie das 1768 von Johann Georg Thiell gefertigte, vermutlich älteste deutsche Seechronometer; eine erstaunlich frühe Präzisionspendeluhr in gestürzter Bauart; oder einen von Thomas Mudge (1715–1794) gefertigten Reisewecker aus dem British Museum, eine der wenigen Uhren, die Mudge mit seiner Erfindung, der freien Ankerhemmung, ausstattete. Ebenfalls zu bestaunen ist die König Ludwig II.-Uhr von A. Lange & Söhne aus dem Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau, deren emailliertes Prunkgehäuse fünf Szenen aus Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ zeigt.

Die Ausstellung, die in Kooperation mit der Lange Uhren GmbH konzipiert wurde, soll die Besucher auch animieren, sich auf den Weg ins knapp 30 Kilometer entfernte Glashütte mit seinen Uhrenmanufakturen und Uhrenmuseum zu machen. In der Kleinstadt hatte Lange 1845 mit einem rückzahlbaren Darlehen von 7.820 Talern der königlich-sächsischen Regierung seine Uhrenmanufaktur „A. Lange, Dresden“ gegründet. Es war der Beginn für die in der – noch heute – strukturschwachen Region im Osterzgebirge sich entwickelnde Uhrenindustrie. Deren Kennzeichen sind noch immer eine hochwertige Qualität, technische Präzision und die Liebe zum Detail. Das hat seinen Preis: Eine günstige Uhr aus Glashütte kostet 5.000 Euro, die teuerste um die zwei Millionen Euro.

Die Ausstellung „Einfach – Vollkommen. Sachsens Weg in die internationale Uhrenwelt. Ferdinand Adolph Lange zum 200. Geburtstag“ ist bis zum 14. Juni im Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdner Zwinger täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 03 51 / 49 14 66 61 www.skd.museum

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen