© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/15 / 27. März 2015

Blick in die Medien
Urteile gehören veröffentlicht
Tobias Dahlbrügge

Am 17. März twitterte der Chef des Handelsblatts, Sönke Iwersen: „Ex-Minister hat sich von Windparkbauer schmieren lassen. Mehr morgen im Handelsblatt.“

Es geht um den früheren Innenminister von Thüringen, Christian Köckert (CDU). Dieser wurde 2014 wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten Bewährung und 200 Sozialstunden verurteilt. Der Staatsanwalt hatte sogar eine Haftstrafe gefordert.

Der Chef des „Handelsblattes“ hat Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung angekündigt.

Sein Vergehen: Köckert hatte als geschäftsführender Gesellschafter einer Beratungsfirma Verträge mit einem Windparkbauer geschlossen. Als er im Auftrag des Eisenacher Oberbürgermeisters im Bauministerium für die Ausweitung von Wind-Vorrangzonen um Eisenach warb, rechnete er das bei der Ökostromfirma als Leistung ab. Auch bei der Formulierung der Beschlußvorlage für das Umweltministerium zur Aufstellung weiterer Windräder am Naturpark Werratal setzte sich er für das Unternehmen ein.

Sich als Amtsträger seine Dienstgeschäfte von Dritten bezahlen zu lassen ist eindeutig strafbar, urteilte das Gericht. Doch der angekündigte Beitrag im Handelsblatt fiel mager aus, denn das Landgericht Meiningen hielt das Urteil unter Verschluß; die Journalisten bekamen keine Einsicht. Begründung: Eine Veröffentlichung könne ein mögliches Revisionsverfahren beeinflussen. Das OVG Thüringen bestätigte diese Sichtweise. Laut Verfassungsrecht sind Gerichte jedoch verpflichtet, ihre Urteile zu veröffentlichen. So mußte Iwersen wieder twittern: „Presserecht nach Thüringer Art: Justiz weigert sich, Korruptions-Urteil dem Handelsblatt zu geben. Bislang mit Erfolg.“

Doch der soll nicht mehr lange anhalten: Der Chef des Handelsblattes hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung angekündigt, mit der die Herausgabe des Urteils an die Medien erzwungen werden soll. Ein richtiges Signal an selbstherrliche Juristen und korrupte Politiker. Schließlich ergeht das Urteil „im Namen des Volkes“, also soll das Volk auch das Recht haben, davon zu erfahren.

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