© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Krankenkasse DAK warnt vor leistungssteigernden Arzneimitteln
Drogen im Büro
Markus Brandstetter

Die ideale Vorbereitung für den Alltag im Büro sieht so aus: lange schlafen, kalt duschen, zum Frühstück gibt’s einen Frischkornbrei mit Kräutertee, bevor es mit dem Rad ins Büro geht. In der Firma wird konzentriert, aber entspannt gearbeitet, zum Mittagessen gibt’s Schnitzel vom Bio-Kalb mit Folienkartoffeln und Eisbergsalat, am Nachmittag zwei Vollkornkekse mit Mineralwasser, und abends, nach dem Vollkornbrei und vor dem Meditieren, wird nochmals eine Stunde im Wald gejoggt.

So einfach wäre es also, ein entspanntes, produktives und auch noch gesundes Leben zu führen und in Beruf, Ehe und Familie zu glänzen. Leider tut das kaum einer. Statt dessen dopen viele, und zwar sogar dann, wenn sie nicht die Großglockner-Hochalpenstraße mit dem Rad befahren oder im Boxring antreten müssen. Das zumindest will die Krankenkasse DAK-Gesundheit herausgefunden haben.

Laut ihrem „Gesundheitsreport 2015“ nehmen bis zu fünf Millionen Beschäftigte in Deutschland leistungssteigernde oder stimmungsaufhellende Medikamente ein. Für die DAK-Studie wurden Arzneimitteldaten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten analysiert und 5.000 Berufstätige im Alter von 20 bis 50 Jahren per Internet-Fragebogen befragt. Da aber zahlreiche Befragte nicht selten die Unwahrheit sagen oder auf dem Bildschirm das falsche Kästchen anklicken, ist laut DAK die tatsächliche Zahl der Berufsdoper viel höher: Entsprechend hochgerechnet haben zwölf Prozent aller Arbeitnehmer schon einmal leistungssteigernde Substanzen am Arbeitsplatz eingenommen. Darunter versteht die DAK in der Regel verschreibungspflichtige Medikamente zur Behandlung von Demenz, Depressionen oder Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen.

Der DAK-Gesundheitsreport hat den gewohnten grausig-faszinierenden Aufreger ergeben, wurde auf Facebook geliket, geklickt und im Internet verbreitet. Fast alle deutschen Medien haben pflichtbewußt den üblichen Kollektiv-Seufzer ausgestoßen nach der Devise: wie schwer und ungerecht das Leben und der Beruf doch sind.

Dabei hätte den üblichen Beschwerern vom Dienst sofort auffallen müssen, wie unwissenschaftlich und vollkommen beliebig die ganze Studie doch ist. Die Resultate von Internet-Befragungen haben erfahrungsgemäß wenig Aussagekraft, und Medikamente gegen Demenz gehören nicht zu den leistungssteigernden Substanzen.

Ginge es nach der DAK, dann wäre die zweitgrößte Exportnation der Welt und das wirtschaftliche Schwungrad Europas nichts anderes als ein Volk von „Hirn-Dopern“, wie viele Zeitungen diese Leute so schön nennen. Das ist ein totaler Quatsch. Vertreter einer gesetzlichen Krankenkasse sollten so etwas eigentlich wissen.

DAK-Gesundheitsreport 2015: www.dak.de/

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