© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/15 / 03. April 2015

Leserbriefe

Zum Schwerpunktthema: „Kanzler der Einheit“, JF 14/15

Lothringen mehrheitlich deutsch

Die Aussage des Historikers Hans-Christof Kraus im Interview (Seite 3), daß Lothringen 1871 „überwiegend französischsprachig“ gewesen sei, ist falsch.

1875 wurden bei circa 490.000 Bewohnern von Lothringen etwa 190.000 französischsprachige Bewohner – also knapp 40 Prozent – gezählt. „Überwiegend“ definiere ich persönlich anders; bei diesen Zahlen kann viel eher die Rede davon sein, daß Lothringen 1871 zwar nicht unbedingt „überwiegend“, aber zumindest doch „mehrheitlich“ deutschsprachig war. Das geht schon aus den Ortsnamen, der im deutschen Sprachgebiet von Lothringen befindlichen Ortschaften wie Forbach, Kreutzwald usw. hervor, die nach 1918/19 meist nur wenig oder gar nicht französiziert wurden.

Bei der Grenzziehung 1871 war man durchaus bemüht, die Sprachgrenze einzuhalten, was im Elsaß in Hinblick auf militärstrategische Erwägungen (Vogesen) besser möglich war, weil diese natürliche Grenze mit der Sprachgrenze weitestgehend übereinstimmte.

In dieser Hinsicht hätte ich einen Einspruch Ihres Interviewers erwartet. Es ist schade, daß ausgerechnet in der JF, die ich von Anbeginn gerade auch wegen ihres konsequenten Festhaltens an der historischen Wahrheit schätze und gelesen habe, nun unwidersprochen solche Falschinformation verbreitet. Da schwingt für mich immer der zeitgeistige Unterton mit, mit dem die „neuen Ordnungen“ nach 1918/19 und 1945 in Europa auf ewig zementiert werden sollten und sollen. Preußen-Deutschland hat bei Gebietszuwächsen immer nur „geraubt“ und unglaubliches Unrecht begangen. Während den anderen europäischen Staaten die Gebietsgewinne in ihrer Geschichte anscheinend stets nur irgendwie zugefallen sind. Wie im DDR-Atlas zur Geschichte: Da hat Rußland und später die UdSSR nur Gebiete „erworben“, oder sie wurden „zugesprochen“. Preußen hingegen hat stets nur „annektiert“.

Das neue Deutsche Reich „raubte“ also 1871 ein angeblich überwiegend französisches Lothringen und war damit selber schuld an Frankreichs folgender Gegnerschaft. Frankreich hingegen war zuvor einfach so in den Besitz des ganz überwiegend deutschen Elsaß und der mehrheitlich deutschen Teile Lothringens geraten, was deutscherseits als gottgewollt hinzunehmen war und ist. Eine komische Sicht auf die Geschichte.

Dirk Tscherney, Hameln

 

Ostgrenze Atantikküste

Ich wundere mich immer wieder darüber, wie die französische und die deutsche Politik mit zweierlei Maß gemessen werden. Die Rückgewinnung Elsaß-Lothringens wird von manchen Historikern geradezu als ein ungeheures Vergehen der Deutschen im Allgemeinen und Bismarcks im Besonderen angesehen.

Selbst wenn Bismarck auf den Teil Französisch-Lothringens mit der Festung Metz verzichtet hätte, die Revanchegelüste französischer Chauvinisten wären nie verstummt, sind doch die Franzosen schon mit dem Schlachtruf „Rache für Sadowa“ in den Krieg gezogen. Hätte Frankreich den von ihm durch jahrelange Provokationen und Anmaßungen vorbereiteten Krieg gewonnen, hätte es ganz selbstverständlich seinem Kriegsziel gemäß die Saar, Landau und andere deutsche Gebiete links des Rheins annektiert. Seit Jahrhunderten haben die Franzosen die Einverleibung fremdsprachiger Gebiete nie als Unrecht angesehen. Wären sie für jeden Überfall auf ihre Nachbarn mit Landabtretungen bestraft worden, läge heute die Ostgrenze Frankreichs an der Atlantikküste.

Hans-Joachim Klein, Heusweiler-Dilsburg

 

 

Zu: „Richtung und Macht“ von Dieter Stein, JF 14/15

Nicht nur ein Stück vom Kuchen

Was soll die „Deutschland-Resolution“ am Ende bezwecken? Ist mit dem unkonventionell-patriotischen Aufbruch der AfD jetzt Schluß? Wurden nicht noch gestern politisch-korrekte Ausgrenzungen gebrandmarkt? Mittlerweile ist die Partei nicht mehr offensiv, sondern fürchtet sich vor dem Vorwurf der Rechtsabweichung. So wird sie aber nie eine echte deutsche Alternative zum eingefahrenen Politikbetrieb. Dies aber will die große Mehrheit ihrer Wähler. Es wird erwartet, daß die AfD – bildlich gesprochen – einen neuen Kuchen backt und nicht bloß vom alten einen Anteil haben will.

Es gilt wachsam zu sein, daß die AfD nicht auch zu einer Karriereorganisation für Berufspolitiker verkommt. Jedenfalls sind Wähler kritischer geworden, wenn Parteien sich als Alternative ausgeben, ohne es zu sein. Das Schicksal der Piratenpartei sollte Warnung genug sein.

Rudolf Kraffzick, Hainau

 

 

Zu: „Terror ist Trumpf“ von Michael Paulwitz & „Entfesselte Gewalt“ von Christian Schreiber, JF 14/15

Vorhersehbares Unheil

Wie so oft hatte wieder niemand damit gerechnet. Jeder kann zwar an fünf Fingern abzählen, was bei Versammlungen herauskommt, solange unsere Berufsrandalierer, besonders die von links, sich ankündigen. Hinzu kommt, daß unsere Richter mit ihren juristischen Glasperlenspielereien vorhersehbares Unheil geradezu heraufbeschwören. Was nützt eine Demokratie, die weder willens noch in der Lage ist, mit der ihr zukommenden legalen Gewalt die Gewalt der Randalierer wirksam zu überwinden? Aber verzweifeln wir nicht: Vielleicht geht aus den Frankfurter Chaoten dereinst wieder ein Außenminister hervor.

Wolfgang Jäger, Dortmund

 

 

Zu: „Europa braucht eine Wende“, im Gespräch mit Václav Klaus, JF 13/15

Erstaunliche Gedächtnislücken

Da staunt der eingefleischte JF-Leser! Ikonengleich auf Seite 1 Václav Klaus, ehemaliger tschechischer Präsident, der sich trotz seines deutschen Nachnamens in der Vergangenheit nicht gerade als Freund Deutschlands zu erkennen gegeben hat. So sprach er am 5. Juni 2005 in bezug auf die mörderischen antideutschen Benesch-Dekrete von einer „präventiven“ Maßnahme, angeblich zur Verhinderung eines neuens Krieges und zur Bestrafung der Schuldigen. In dem wohlwollend-brav geführten Interview von Petr Bystron hätte auf alle Fälle die Frage der Vertreibung von dreieinhalb Millionen Deutschen aus ihrer jahrhundertealten Heimat Böhmen und Mähren und die damit verbundenen Benesch-Dekrete aufgeworfen werden müssen! Stattdessen wird uns Klaus als toller EU-Kritiker angepriesen.

Richtig pikant wird es jedoch bei der immer nervtötender werdenden Putinversteherei. Fragt man sich schon, was Konservative oder „Rechte“ dazu treibt, diesem Kremlherrscher würdelos hinterherzuhecheln, der sich partout weigert zu begreifen, daß die Sowjetunion seit fast einem Vierteljahrhundert auf dem Müllhaufen der Geschichte liegt, verwundert es noch mehr bei einem Tschechen. Gerade ihm müßte doch das Rasseln der Sowjetpanzerketten von der Niederwalzung des Prager Frühlings noch in den Ohren klingen!

Verbiestert wartet der Möchtegernzar im Kreml auf die sattsam bekannten „Hilferufe“. Georgier, Ostukrainer und Krimbewohner durften sich bereits der hilfsbereiten Zuwendung lupenreiner Expansionisten erfreuen. Hat Herr Klaus denn vergessen, daß einst der Prager Frühling, genau wie jüngst die Maidan-Bewegung, als eine „vom Westen“ importierte Konterrevolution diffamiert wurde?

Wolfgang Walter, Kutzenhausen

 

Menschenverachtende Dekrete

Wenn der frühere tschechische Staatspräsident im Interview feststellt, die Griechen gehörten „von Anfang an nicht in den Euro“, dann ist ihm grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings sollte gerade Herr Klaus bei Fragen in Sachen Euro- oder EU-Mitgliedschaft äußerste Zurückhaltung üben. Denn sein Land, das nach wie vor an den Benesch-Dekreten festhält, der Grundlage für die Entrechtung, Enteignung, Verpflichtung zur Zwangsarbeit und Vertreibung von über drei Millionen Sudentendeutschen, gehört selbst nicht in die EU. Handelt es sich doch beim europäischen Projekt neben einer Wirtschafts- auch um eine Wertegemeinschaft. Doch dazu passen menschenverachtende Dekrete mit Sicherheit nicht.

Dr. Walter Kreul, Germering

 

 

Zur Meldung: „Basisrechtsakt gegen unerwünschten Zuzug“, JF 13/15

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

Diese EU-Verordnung über die Abwehr gebietsfremder, außereuropäischer Tier- und Pflanzenarten ist mit heißer Nadel genäht und nicht zu Ende gedacht. Die Einwanderung findet zu Wasser, zu Lande und über die Luft statt und ist zu einem großen Teil Auswirkung des Klimawandels – nicht nur heute, sondern schon immer gewesen. Überwachungs- und Kontrollsysteme sind eher neue Wasserköpfe als Abwehrorgane. Wer wollte die Kraniche hindern, weiterhin in Deutschland zu überwintern? Sind die Wölfe nunmehr nicht auch eine „invasive gebietsfremde Art“? Wieviel tierische oder pflanzliche Generationen müssen verstreichen, bis eine ehemals eingewanderte Art hier heimisch geworden ist?

Warum wird diese Verordnung nicht auch auf die Einwanderung von Menschen angewendet – oder ist das schon in Arbeit? Diese Regulierungswut scheint eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu sein.

Manfred Voss, Oldendorf

 

 

Zu: „Schlaflos in Damaskus“ von Marc Zoellner, JF 12/15

Deplazierter Sarkasmus

Der syrische Repressionsapparat hat zu Recht immer schon einen schlechten Ruf gehabt, in arabischen Führerdemokratien leider der Normalfall. Auch Baschar al-Assads Regime hat sich zweifellos schon kurz nach dessen Amtsantritt von seinen guten Absichten verabschiedet. Dennoch ist Ihrer Darstellung zu widersprechen. Dies gilt für die vom Spiegel kolportierte Zahl von 200.000 Folteropfern des Baath-Regimes ebenso wie für die Berufung auf die frühlingstrunkene Betriebsblindheit humanitärer „Beobachtungsstellen“ mit ihren jeglicher Objektivität absolut unverdächtigen „Korrespondenten“ vor Ort.

Das Kräfteverhältnis im syrischen Bürgerkrieg ist im fünften Kriegsjahr auch ganz anders, als hier dargestellt. Entscheidend ist die Bevölkerungsverteilung im Lande. Geschätzte siebzig Prozent der Bevölkerung konzentrieren sich im Westen und Nordwesten des Landes. Das Gebiet zwischen der Provinz Damaskus und dem Euphrat ist ein fast menschenleerer Raum, interessant einzig wegen einiger Ölvorkommen am Ostrand, welche allerdings eine Schwäche des Regimes offenbaren. Der unterschwellige Sarkasmus über Assads Truppenbesuch an vorderster Front in den seit Monaten schwer umkämpften Ruinen von Dschobar erscheint mir da völlig fehl am Platze. Immerhin hat die Armee eine bemerkenswerte Widerstandskraft bewiesen. Das hat zweifellos auch mit der persönlichen Autorität Assads und der Loyalität großer Teile der Bevölkerung zu tun.

Dennoch: Am Ende werden wohl die reaktionären Kräfte einer hoffnungslos mittelalterlichen Religion die Oberhand behalten. Und Baschar al-Assad wäre dann gut beraten, sich irgendwo ein sicheres Exil zu suchen und seine Memoiren zu schreiben über das gescheiterte Projekt, als Angehöriger einer verhaßten Minderheit über einer von tribalen und konfessionellen Gegensätzen zerrissenen Gesellschaft einen modernen säkularen Staat errichten zu wollen.

Manfred Grabowski, Schwarzenbek

 

 

Zu: „Die Zerstörungen setzen sich fort“ von Siegfried Barker, JF 12/15

Einseitige Schuldzuweisung

So sehr die Zerstörungen zu bedauern sind, so sehr sollte doch objektiv berichtet werden. So gehen viele Zerstörungen der alten oströmischen Hauptstadt Konstantinopel, und auch die Zerstörung der Kaisergräber, auf die Eroberung der Stadt durch den Keuzzug unter Führung des venezianischen Dogen Enrico Dandolo zurück. Die Stadt wurde mitleidlos ausgeplündert, und es geschahen auch sonst Dinge, die eigentlich eines christlichen Heeres unwürdig waren. Als die Osmanen die Stadt 1453 einnahmen, lag sie zum Teil in Trümmern; auch die Kaiserpaläste wurden da schon lange nicht mehr genutzt, und die Kirchen waren ihrer kostbaren Einrichtung im wesentlichen beraubt. Konstantinopel war nur noch ein Schatten seiner selbst.

Carl Günter Koch, Bingen

 

 

Zu: „Mit viel Gefühl für den Islamisten“ von Fabian Schmidt-Ahmad, JF 12/15

Endlich der verdiente Faustschlag

Die Tochter syrischer Einwanderer erklärt uns endlich, wie man einen gezielten Faustschlag aggressiver junger Muslime verstehen muß. Heißt: Rechtsstaat übt über seine Gesetze (Strafverfolgung) an jungen Tätern alltäglich strukturelle Gewalt aus, was zu Ausgrenzung und Stigmatisierung führt. Aha! Damit bestätigt die Islamlehrerin Lamya Kaddor den hohen Prozentsatz junger Muslime, die straffällig werden, weil ihnen in ihren Familien noch immer ein archaisches Männerbild anerzogen wird, nach eigenen Gesetzen zu leben, nach denen das Faustrecht das letzte Wort hat. Außerdem verwechselt sie Deutschland mit einem heiltherapeutischen Kindergarten für fehlgeleitete Salafisten, die die Lehre des Koran leider mißverstehen und daher eine Einzelfallbetreuung brauchen.

Da in islamischen Organisationen die Sammelbüchse auch für mancherlei andere Zwecke herumgereicht wird, wäre es nur gerecht, daß diese auch die Kosten für die Einzelfallbetreuung übernehmen. Es geht ihnen wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr los wurde, aber die Folgekosten als Kollateralschäden dem deutschen Staat aufbürdet.

Margot Kaczmarek, Hasbergen

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