© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/15 / 10. April 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Raus aus der Stadt
Paul Rosen

Die Zentralen sagen viel mehr über die Parteien aus als gemeinhin vermutet wird. Die SPD hauste in Bonn in der „Baracke“. Die Unterkunft stammte noch aus Kriegszeiten, Luxus war ein Fremdwort. Dennoch paßte die Baracke zu den die Arbeiterschaft vertretenden Sozialdemokraten besser als ein repräsentativer Bau mit Marmortreppen und Kronleuchtern. Später bezogen die Sozialdemokraten einen modernen Flachbau. Der Name „Baracke“ blieb.

Das Konrad-Adenauer-Hochhaus der CDU ragte weit über Bonn hinweg und symbolisierte den Herrschaftsanspruch der Partei über die alte Bundesrepublik. Und jedem Fernsehzuschauer war die Lazarettstraße ein Begriff. Hier wetterte Franz Josef Strauß nach CSU-Sitzungen aus München gegen Bonn. Die Parteizentrale der CSU wirkte wie eine Festung. Hier wurde die „libertas bavariae“ gegen das „Saupreißntum“ und andere Widrigkeiten der Welt verteidigt. Daran änderte sich nichts, als die immer untertrieben als „Landesleitung“ bezeichnete CSU-Zentrale in die Nymphenburger Straße in München umzog – praktisch um die Ecke.

Der Wechsel von Parlament und Bundesregierung von Bonn nach Berlin hatte massive Konsequenzen für die Parteien. Die CDU residiert an der Spree seitdem wenig auffällig im Tiergarten, die SPD kurz hinter Berlin-Mitte in Kreuzberg an einer unscheinbaren Ecklage. FDP und Grüne sind noch unauffälliger in Mitte beheimatet. Niemand würde mit Berliner Parteizentralen noch irgendeinen Anspruch verbinden. Nur bei der CSU schien die Zeit stehenzubleiben. Die Landesleitung blieb in der Nymphenburger Straße.

Doch jetzt wachsen bei der CSU die Umzugsgelüste. Aus dem zentral gelegenen Gebäude in der Nymphenburger Straße will Generalsekretär Andreas Scheuer die Mitarbeiter in die Schwabinger Parkstadt umziehen lassen. Das hört sich münchnerisch oder bayerisch an – ist es aber nicht. Das Viertel besteht aus Glas-Beton-Hochhäusern, was Scheuer für einen Ausdruck von Transparenz hält, andere aber als Ort ansehen, an dem genausogut Bescheide für Falschparker bearbeitet werden könnten. Auch mit der Gemütlichkeit ist es definitiv vorbei: Statt Löwenbräukeller oder Augustiner-Biergarten ist nach der Arbeit in Zukunft die „Lauf-Bar“ oder die „Champions-Sportsbar“ angesagt. Bayerisches Lebensgefühl gibt es hier nicht. Und was es nicht gibt, kann auch nicht mehr auf die politische Arbeit einwirken. Kein Mensch käme auf den Gedanken, das Hofbräuhaus in diese Gegend zu verlegen. Der urbayerische Charakter wäre unwiderruflich weg.

Kern der CSU waren stets ihre Unverwechselbarkeit und ihr Bekenntnis zur bayerischen Lebensart („Laptop und Lederhose“). Das wird mit dem Umzug Geschichte. Von der Mies-van-der-Rohe-Straße 1 in Schwabing nahe der Autobahnauffahrt, wo die CSU künftig residiert, könnte auch ein Verband für vegane Mahlzeiten verwaltet werden. Die CSU, die mit dem Slogan „Nah am Menschen“ wirbt, entfernt sich von den Menschen.

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