© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/15 / 10. April 2015

Deutschland setzt seine Zukunft aufs Spiel
Zuwanderung: Deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sowie Ausländer zerpflücken die Willkommenskultur mit deutlichen Worten
Hinrich Rohbohm

Gut, daß Sie mich darauf ansprechen, dazu möchte ich schon seit längerem etwas sagen“, zeigt sich Rashid M. erfreut. Der 49 Jahre alte Gastronom macht eine einladende Geste in Richtung einer Sitzecke seines indischen Restaurants in der Frankfurter Innenstadt. Es ist ein Thema, das ihn direkt betrifft und zu dem er innerhalb seines Bekanntenkreises eine Außenseiterposition vertritt.

Es geht um den sprunghaften Anstieg von Zuwanderern und Asylbewerbern, die nach Deutschland gekommen sind und Städte und Gemeinden und ihre jeweiligen Bürgermeister in Nöte bringen, weil für die Neuankömmlinge kaum noch genügend Unterkünfte vorhanden sind. Weil Turnhallen und Hotels zu Notquartieren umfunktioniert werden müssen und die Kommunen nicht selten auf entstehenden Kosten sitzenbleiben.

„Es kommen zu viele, die nur auf Sozialhilfe aus sind“

Die meisten Politiker werben um Verständnis, einige fordern, die Zuwanderung nach Deutschland weiter zu forcieren. Doch in der Bevölkerung regt sich zunehmend Unmut. Laut einer Anfang des Jahres von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie sprechen sich inzwischen 61 Prozent der Deutschen gegen Zuwanderung von Menschen außerhalb der EU aus. Demnach rangiere das Problem bei den Bundesbürgern sogar noch vor der Schuldenkrise.

Doch längst sind es nicht nur autochthone Deutsche, die sich zur Migrationspolitik der Regierungen in Bund und Ländern kritisch äußern. Auch Deutsche mit Migrationshintergrund und Ausländer selbst erheben mittlerweile Einspruch gegen den weitestgehend im Konsens erfolgenden Migrationskurs der Politik.

„Es kommen einfach zu viele, die nur auf Sozialleistungen aus sind. Deutschland riskiert dadurch, seinen Wohlstand zu verlieren“, erklärt M. seinen Standpunkt, für den er von seinen Freunden schon oft kritisiert wurde. „Du bist doch selbst Ausländer, bist du etwa rechtsradikal oder was?“ hätten sie ihm vorgeworfen. Der Vater von zwei Kindern läßt das nicht gelten. „Es mag ja sein, daß wir Fachkräfte aus dem Ausland benötigen, dagegen habe ich nichts. Aber wenn immer mehr Menschen vom deutschen Sozialnetz getragen werden müssen, zerstört sich das Land selbst.“ Ein Land, dem er viel zu verdanken habe, wie er sagt.

„Deutschland muß die Zuwanderung begrenzen und selbst entscheiden, welche Arbeitskräfte im Land gebraucht werden. Und Sozialhilfe würde ich Ausländern nur noch für das Allernötigste in Naturalien gewähren, auf keinen Fall darf der Staat Geld auszahlen“, lautet sein Vorschlag. Als Gastronom komme er in Frankfurt mit einer Menge Ausländern in Kontakt. „Ich weiß von vielen, daß sie das Geld zu ihren Familien in die Heimat schicken. So ist das mit der sozialen Sicherung in Deutschland sicher nicht gedacht.“ Er habe das zwar auch getan. Aber ich habe mir das Geld selbst verdient und zahle dem Staat Steuern.“

Auch kenne er eine Menge Leute, die Sozialhilfe kassieren und dazu noch schwarz arbeiten oder sich durch Drogenverkauf oder andere kriminelle Delikte ein Zusatzeinkommen verschaffen, da sei der ehrliche Hilfsbedürftige doch der Dumme. Ja, selbstverständlich sollte Asylbewerbern Zuflucht gewährt werden. „Aber dann müssen sie auch arbeiten dürfen, um sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, statt Geld vom Staat zu bekommen.“

M. lebt seit knapp 20 Jahren in Deutschland, hat sich hier hochgearbeitet, wie er sagt. „Am Anfang hatte ich auch wenig, aber es war mein eigenes Geld, ich habe niemandem auf der Tasche gelegen. Besonders das Erlernen der deutschen Sprache sei für ihn hart gewesen, aber er habe sich schließlich durchgebissen. „Eigentlich stehen einem in Deutschland, vielleicht nicht alle, aber doch viele Türen offen, um eine eigene Existenz aufzubauen.“ Die einstige Küchenaushilfe ist heute stolzer Restaurantbesitzer, der zehn Mitarbeiter beschäftigt.

„Ich glaube, vielen Deutschen ist gar nicht bewußt, wie gut sie es haben“, sagt er immer wieder und tippt dabei mehrfach mit dem Zeigefinger auf den Tisch, so als wollte er seinen Worten damit Nachdruck verleihen. Er benennt Errungenschaften, auf die man in anderen Ländern neidisch ist. Freiheit, Demokratie, das Rechtssystem, die gute Infrastruktur, das Bildungssystem, die gesundheitliche Versorgung. Und er nennt den sozialen Frieden, der hier herrsche. „Aber das alles setzt Deutschland aufs Spiel, weil das nicht mehr zu finanzieren sein wird, wenn der Zuwanderung ins Sozialsystem keine Grenzen gesetzt werden.“

Ähnlich sieht das auch Aslan Basibüyük. Der 38 Jahre alte gebürtige Türke ist seit 15 Jahren deutscher Staatsbürger. „Es gibt ein Sprichwort: Man kann in der Natur nur eine bestimmte Menge Salz lösen“, zieht er einen Vergleich zur deutschen Zuwanderungspolitik.

„Wir müssen aufhören, die Zuwanderer zu hofieren“

Basibüyük ist jemand, der sich in die deutsche Gesellschaft voll integriert hat. Der Großvater war 1967 aus Ostanatolien nach Deutschland gekommen, arbeitete als Produktionshelfer und wohnte in einem Arbeiterheim. „Schon zu dieser Zeit war Einwanderung an Bedingungen gekoppelt“, gibt der Vater von drei Kindern zu bedenken. Sieben Jahre später kam auch Basibüyüks Vater nach Deutschland, die Großmutter hatte damals noch die Frau für ihn ausgesucht.

„Zwei Jahre später bin ich dann in Deutschland geboren worden.“ Nach dem Besuch der Hauptschule und der Berufsfachschule erlangte der Rheinländer seine mittlere Reife, absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Chemikanten. Er engagierte sich gewerkschaftlich, erst als Jugendvertreter, später als Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Heute ist er als Finanz- und Personalcontroller im Betrieb seines Bruders tätig, einem Dientleistungsunternehmen im Metallgewerbe, das sich auf die Veredelung von Gußerzeugnissen spezialisiert hat. Inzwischen engagiert er sich auch politisch, gehört dem rheinland-pfälzischen Landesvorstand der Alternative für Deutschland an.

„Als ich die deutsche Staatsangehörigkeit beantragte, mußte ich meinen türkischen Paß bei der Kreisverwaltung abgeben, weil es noch keine doppelte Staatsbürgerschaft gab“, erinnert er sich. Die Behörde habe den Paß dann an die türkische Botschaft geschickt. „Einige Wochen später rief mich ein Botschaftsmitarbeiter doch tatsächlich an und sagte, daß ich meinen türkischen Paß jetzt wiederbekommen könnte“, empört sich Basibüyük über die damalige illegale Praxis. Er wollte nicht. Er fühlt sich als Deutscher, lehnte das Angebot ab. „Aber so einfach wurden damals die deutschen Bestimmungen umgangen“, erklärt er.

Der Trick sei einige Jahre später zwar aufgeflogen, zeige aber, wie leicht es mitunter sein könne, Regeln zu umgehen. „Eine multikulturelle Gesellschaft ohne Regeln funktioniert aber nicht, dann fährt der Karren gegen die Wand.“

Besonders jenen Zuwanderern, die „unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Füßen treten“, müsse ein Riegel vorgeschoben werden. „Wir müssen aufhören, diese Leute zu hofieren und mehr für unsere Leistungsträger machen“, sagt der moderate Muslim, der zweimal im Jahr eine Moschee besucht.

Um leistungsbereiten Zuwanderern Anreize zur Integration zu bieten, müßten Deutsche aber auch einen gesunden Patriotismus vorleben. „Sonst sagen die doch, das sind keine Vorbilder für mich, die stehen ja selber nicht mal zu ihrem Land.“ Natürlich werde er mit den üblichen Nazi-Vergleichen und den Vorwürfen konfrontiert, was er da sage, sei rechtsradikal. Doch Basibüyük will nicht schweigen, will sich nicht verstecken, vielmehr will er Zustände verändern.

„Wir müssen ohne Zweifel aus den negativen Abschnitten der deutschen Vergangenheit lernen. Aber wir dürfen nicht die Schuld weitervererben“, fordert er. Schuld ist ein Wort, das auch Seltschuk I., ein kräftig gebauter, leicht übergewichtiger Mann mit Stoppelbart und Kurzhaarschnitt aus dem Duisburger Problembezirk Marxloh, nicht gelten lassen will. „Ich kann das nicht mehr hören. Wenn Deutschland keine Zuwanderer mehr haben möchte, dann sollten die Politiker das auch so regeln können“, meint der Imbißverkäufer.

Würde ihn das aber nicht selbst treffen? Seltschuk widerspricht. „Hey, als meine Eltern nach Deutschland kamen, waren sie als Arbeitskräfte erwünscht, damals hatten wir hier noch keine Probleme“, entgegnet der 40jährige. Und jetzt?

„Jetzt brennt es doch an jeder Ecke in dieser Stadt. Wir haben hier Zigeuner, es wird geklaut wie nichts, das kannst du dir nicht vorstellen.“ Das Vorgehen von Politik und Polizei nennt Seltschuk einen Witz. Er selbst fordert drastischere Maßnahmen. „Warum belegt man die Zigeuner nicht mit einem Einreiseverbot?“ fragt er sich. Ihm würde es vollkommen ausreichen, wenn kriminelle Zuwanderer nicht wieder ins Land gelassen würden. „Sonst dauert es nicht mehr lange und Duisburg wird von Banden statt von gewählten Politikern regiert.“ Es kämen einfach zu viele mit kriminellen Absichten, das könne so nicht weitergehen. Viele seiner türkischen Freunde würden das auch so sehen, andere wieder seien Teil des Problems. „Wenn der Staat weiter versagt, werden wir hier jedenfalls das Ganze selber regeln“, prophezeit er und ballt die Fäuste.

 

Die Zahl der Ausländer in Deutschland befand sich 2014 auf einem Rekordhoch

Die Zahl der Ausländer in Deutschland ist 2014 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 8,2 Millionen Menschen auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Im Vergleich zu 2013 nahm ihre Zahl um 519.300 Personen (plus 6,8 Prozent) zu. Vor allem aus Rumänien und Bulgarien kamen mit plus 32,9 beziehungsweise 24,8 Prozent deutlich mehr Einwanderer. Die Zahl der Syrer stieg um 107,7 Prozent auf etwa 118.000. Etwas geringer war die Bedeutung der Einwanderung aus den von der Eurokrise besonders betroffenen Mittelmeerstaaten (plus 48.600 beziehungsweise plus 4,3 Prozent). Diese Gruppe wurde von Spanien (plus 8,3 Prozent) sowie Griechenland und Italien (jeweils plus 3,9 Prozent) angeführt. Die größte Einzelgruppe unter den 8,2 Millionen Ausländern kam mit 1,5 Millionen Menschen aus der Türkei. Deutschland ist für Asylbewerber das begehrteste Ziel unter den Industrienationen. Laut dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen stellten im vergangenen Jahr 173.000 Ausländer einen Asylantrag in der Bundesrepublik. Damit wurden in Deutschland zum zweiten Mal in Folge weltweit die meisten Asylgesuche registriert.

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