© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Streit um Erbschaftssteuer
Familie als reaktionärer Faktor
Dieter Stein

Aus Sicht klammer Finanzminister ist es der Idealfall, wenn wohlhabende Bürger keine Kinder oder direkten Angehörigen haben und vergessen, ein Testament zu machen. Dann kassiert nämlich der Staat das gesamte Vermögen. In Berlin sollen allein auf diesem Wege im vergangenen Jahr rund eintausend Immobilien in den Besitz der Stadt gelangt sein. Warmer Regen für Politiker, die ständig neue Ideen finden, wie Geld zum Fenster hinausgeworfen werden kann, statt ordentlich zu wirtschaften.

Durch eine jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das eine Neuregelung der Erbschaftssteuer hinsichtlich von Firmenvermögen forderte, ist eine grundsätzliche Debatte über Sinn und möglicherweise Ausweitung dieser Steuer entstanden. Unter dem Schlagwort der „Gerechtigkeit“ werfen vor allem linke Politiker die Frage auf, weshalb Erben überhaupt Anspruch haben sollten auf „leistungsloses Einkommen“ (SPD-Vize Stegner).

Geld abknöpfen kann man nur Bürgern, die etwas selbst erwirtschaften oder besitzen. Und es ist natürlich irgendwie unfair, wenn „Vermögen extrem ungleich verteilt“ ist, wie die Zeit-Autorin Julia Friedrich jüngst anklagend feststellte, und eine „gerechtere“ (natürlich höhere) Besteuerung verlangte.

Das Empörende für Gleichheitsideologen am Erben ist die Vorstellung, daß im Rahmen der Familie überhaupt etwas Generationen Überdauerndes geschaffen wird, was an Kinder und Enkel weitergegeben wird. Die Frage drängt sich natürlich auf in einer Zeit, die sich entgegen allem Nachhaltigkeitsgerede angewöhnt hat, Bestände jetzt und gleich zu verfrühstücken, die in Jahrhunderten gewachsen sind. Im Zuge revolutionärer Fortschritte auf dem Feld der Reproduktionsmedizin mutet es reaktionär an, daß sich Menschen überhaupt noch autonom biologisch fortpflanzen. Auch hier scheint es überfällig, daß der Staat steuernd eingreift. Vielleicht läßt sich dann auch Schönheit und Intelligenz durch Geburtensteuerung egalisieren? Aldous Huxley hatte das in seiner „Schönen neuen Welt“ kommen sehen. Anachronistisch, daß sich Eltern und Kinder biologisch gleichen und genetische Dispositionen vererbt werden – Eltern prägen Kinder obendrein auch noch kulturell, religiös, geben Bildung und Interessen weiter – wenn auch Ganztagsschule und frühkindliche Betreuung nach Kräften daran arbeiten, diese Gerechtigkeitslücke rasch zu schließen.

Daß auf der anderen Seite das ererbte Vermögen auch Fluch statt Segen sein kann, davon erzählte Thomas Mann in den „Buddenbrooks“, dem Aufstieg und Untergang einer Lübecker Kaufmannsfamilie. Eigentum verpflichtet, Erbe damit auch. Es steht dem Gemeinwesen nicht entgegen, es ist sein Fundament. Wer die Hand an diese Institution legt, zerstört die Grundlage der Gemeinschaft.