© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Der russische Rubel legt derzeit wie keine zweite Währung zu
Fulminante Erholung
Thomas Fasbender

Mario Draghi ist nicht an allem schuld. Den rapiden Euro-Verfall seit einem Jahr verantwortet der Präsident der Europäischen Zentralbank nur zum kleineren Teil. Zudem hat er Glück: Der deutsche Verbraucher merkt gar nicht, wie sehr sein Euro an Wert verliert. Denn nicht der russische Rubel ist der Verlierer der zurückliegenden Monate, sondern die europäische Einheitswährung. Innerhalb eines Jahres ließ sie dem US-Dollar gegenüber um 25 Prozent nach. Der Euro steht so schwach da wie zuletzt Anfang 2003.

Würde unser Außenhandel überwiegend in Dollar abgewickelt, hätten die Deutschen längst aufgehorcht. Das hätten sie auch dann, wenn der Rohölpreis seit Juni 2014 nicht um die Hälfte gefallen wäre. Doch zwischen Deutschland und der Wirklichkeit liegt die Eurozone, eine teuer subventionierte Watteschicht. Ihr verdanken wir, daß nur der kleinere Teil des über 900 Milliarden Euro schweren deutschen Importvolumens von Wechselkursrisiken tangiert ist. 68 Prozent unserer Importe stammen aus Europa, und die überwiegende Mehrheit dieser Geschäfte wird in Euro fixiert.

Kein Wunder, daß die Inflation nicht vom Fleck kommt. Das beunruhigt allerdings nur die Volkswirte – nicht die Verbraucher. Die können kaum nachvollziehen, warum Draghi Monat für Monat Schuldentitel für 60 Milliarden Euro kauft, private und öffentliche, gute und schlechte. Noch erlauben die Umstände es unseren Währungshütern, sich an der Öffentlichkeit vorbeizumogeln.

Um so lautstärker ziehen die Medien über den Buhmann Rußland her, dessen Wirtschaft angeblich vor dem Zusammenbruch steht. In der Tat herrscht dort eine tiefgreifende Krise, die sich ganz wesentlich dem eingebrochenen Ölpreis verdankt. Wer meint, das sei ein Verdienst der westlichen Sanktionen, irrt sich gewaltig. Der Refinanzierungsboykott durch den Westen hat zwar die Rubelkrise Ende 2014 mit ausgelöst. Seit Februar jedoch erlebt die russische Währung einen beeindruckenden Aufschwung. Gegenüber dem Dollar hat der Rubel 2015 unter allen Währungen bislang die Nase vorn – der Abstand zum Euro beträgt fast 30 Prozent. Wenig überraschend, daß der Dollar als globaler Sieger vom Platz geht. In Krisenzeiten ist er die Fluchtwährung, die Märkte wetten gegen Europa, und die amerikanische Wirtschaft liegt in Sachen Wachstumsdynamik unangefochten vorn.

Angesichts ausbleibender Produktivitätsfortschritte versuchen nicht wenige Länder, Exporte über Kursdifferenzen zu generieren. Auch die deutsche Wirtschaft, obwohl dem Selbstverständnis nach über solche Tricks erhaben, profitiert von der Euroschwäche. Über die Hälfte unserer Wirtschaftsleistung wird exportiert. Und dennoch – daß derzeit sogar dem Rubel in den Augen der Investoren mehr Aufmerksamkeit zukommt als unserem Euro, sollte uns zu denken geben.