© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Auf den Nacken geküßt
Abgewirtschaftet: Theaterintendant Claus Peymann wütet gegen Kulturfunktionäre
Richard Stoltz

Heutzutage, konstatierte schon vor hundert Jahren Karl Kraus, läßt sich keine Satire mehr schreiben. Die Wirklichkeit selbst sei zur Satire geworden, sie übertreffe alles, was sich Satiriker je über sie ausdenken könnten.

Was würde der Arme wohl zu den aktuellen Zuständen sagen, beispielsweise zu dem jüngsten „Interview“, das Claus Peymann, (Noch-)Intendant des Berliner Ensembles, der Zeit gegeben hat? Die Art, wie sich der 77jährige darin äußert, ist eine einzige wüste Beschimpfung all seiner Kollegenschaften, verbunden mit einem nicht minder wüsten Selbstlob.

Ja, tönt es da, er, Peymann, sei einer der „Platzhirsche“ des Berliner Kulturlebens, ein Riesenkerl, während jene Kulturfunktionäre, die ihn jetzt in den Ruhestand versetzen wollten, jämmerliche „Lebenswerge“ seien, die nur Sch… anrichteten. Besonders tobt der Mann gegen den Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner an. Dieser Renner sei eine „Niete“, nichts weiter als ein „leeres weißes Hemd“, mit dem zu reden völlig überflüssig sei.

Einige andere Passagen in dem Interview klingen etwas realitätsnäher, nennen die Misere unseres gegenwärtigen Theaterbetriebes unverblümt beim Namen. Das wird aber sofort wieder überspült von den grellen Wutschreien über seine, Peymanns, bevorstehende Vertrags(nicht)verlängerung.

Vor Jahren in Wien, als das Burgtheater seinen damaligen Intendanten Peymann loswerden wollte, gab der ein ähnlich wüstes Interview. Er erklärte damals seine besondere Wut mit dem Umstand, daß ihn der österreichische Staatspräsident Waldheim im Zusammenhang mit der Affäre eines Abends frech und unverhofft von hinten auf den Nacken geküßt habe. Wer, so fragt man sich jetzt in Berlin, mag den Intendanten diesmal auf den Nacken geküßt haben?