© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/15 / 17. April 2015

Tragfähige Verbindungen
Corpsstudenten als Prototyp im NS-Widerstand
Christian Vollradt

Auf einigen Fotos der Widerstandskämpfer Ulrich von Hassell, Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg oder Nikolaus von Halem (alle nach dem 20. Juli 1944 hingerichtet) sind deutlich die Schmisse zu erkennen, die sie aus ihrer Studentenzeit als Angehörige eines Corps davontrugen. „Für meine Person ist nicht zu bezweifeln“, so notierte der ehemalige Diplomat von Hassell während seiner Gestapo-Haft, „daß mir die corpsstudentische Art und Zeit hervorragend gutgetan hat.“

Gibt es also einen gewissen Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in einer Korporation und der Beteiligung an der Opposition gegen das NS-Regime? Dieser Frage geht ein von Sebastian Sigler herausgegebener umfangreicher Sammelband nach, der sowohl die studentenhistorische wie auch die Widerstandsliteratur hervorragend ergänzt.

Dabei wird keineswegs der Eindruck erweckt, die Corps (oder andere studentische Korporationen) an sich seien besondere Widerstandsstätten gewesen. Auch in diesen konservativen Zusammenschlüssen waren die Widerständler gegen den Nationalsozialismus eine Minderheit. Dennoch bleibt das berechtigte Anliegen erkennbar, in den biographischen Darstellungen den Vorbildcharakter der Protagonisten hervorzuheben.

Die Porträts sind nach verschiedenen Zweigen des Widerstands geordnet: dem Widerstand ab der ersten Stunde (Yorck von Wartenburg), der sogenannten Septemberverschwörung (Hasso von Etzdorf, von Hassell, von Halem), dem Freiburger Kreis (Eucken) oder dem militärischen Widerstand (von der Schulenburg). Bei aller Heterogenität der Motivation, gegen das NS-Regime aufzubegehren, erleichterte die Zugehörigkeit zu einem Corps durchaus die Bildung von entsprechenden Netzwerken.

Denn hier trafen sich Männer „mit kongruenter sozialer Distinktion“ und vergleichbarer Prägung. Und, so Herausgeber Sigler: „Das studentische Mensurwesen ist, das zeigt zumindest die Erfahrung derer, die einer mensurbeflissenen Verbindung angehören, in der Lage, besonders tragfähige Bindungen aufzubauen.“ Vielleicht, so möchte man ergänzen, liegt auch darin das Geheimnis, warum etwa Nikolaus von Halem selbst unter schwerster Folter die Namen seiner Mitverschwörer nicht preisgab.

Sebastian Sigler (Hrsg.): Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler.Duncker & Humblot, Berlin 2014, gebunden, 510 Seiten, Abbildungen, 39,90 Euro