© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Ferdinand Piëchs Kampf um die Konzernspitze von Volkswagen
Krieg und Frieden
Markus Brandstetter

Zwei Seelen wohnen in Ferdinand Piëchs Brust: Da ist der geniale Techniker und Konzernlenker, der revolutionäre Dieselmotoren erfunden, den Audi Quattro entwickelt, ab 1993 den VW-Konzern aus der Verlustzone geholt und zu dem gemacht hat, was er heute ist: der nach Toyota größte Autohersteller der Welt. Auf der anderen Seite gibt es den Machtmenschen Piëch, der zielbewußt und manchmal hinterlistig bei VW, Audi, MAN, Porsche & Co. die Strippen zieht und dabei den österreichischen Charme mitunter vermissen läßt.

Vor zwei Wochen hat der Enkel des VW-Käfer-Erfinders Ferdinand Porsche mit dem berühmten Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ versucht, den amtierenden VW-Chef Martin Winterkorn öffentlich zu zerlegen. Warum Piëch das tat, weiß nur er. VW hat 2014 12,7 Milliarden Euro Gewinn gemacht, der Aktienkurs hat sich in zwei Jahrzehnten mehr als verzehnfacht. Winterkorn, seit 2007 an der VW-Spitze, ist für die Erfolge maßgeblich verantwortlich. Wo also liegt Piëchs Problem mit Winterkorn?

Ist es das US-Debakel und die nur mittelmäßige Umsatzrendite der VW-Stammarke? Der tiefere Grund wird wohl darin liegen, daß Piëch verhindern wollte, daß Winterkorn ihn gewissermaßen automatisch als Aufsichtsratsvorsitzender von VW beerbt. Piëch hat schon oft Weitblick und ein Gespür für zukünftige Entwicklungen bewiesen. Vielleicht hatte er den Eindruck, daß Winterkorn als VW-Aufsichtsratsvorsitzender zu behäbig sein könnte und allzusehr am einmal Erreichten festhalten würde, um den zukünftigen Herausforderungen des Weltautomarktes gewachsen zu sein.

Sollte das tatsächlich der Grund für Piëchs Dolchstoß gegen Winterkorn gewesen sein, dann wird man sagen müssen: da hat einer aus den richtigen Gründen das Falsche getan. Denn so wie Piëch via Spiegel Winterkorn öffentlich an den Karren gefahren ist, so geht das nicht. Vorige Woche ist Piëch bei einer hastig einberufenen Aufsichtsratssitzung damit gescheitert, Winterkorn aus dem Armt zu drängen. Und jetzt sieht alles danach aus, als hätte der allmächtige Aufsichtsratsvorsitzende durch einen unnötig brüsken und undiplomatischen Akt sich selbst mehr als Winterkorn beschädigt.

Es könnte gut sein, daß ein Martin Winterkorn als Aufsichtsratschef eines Tages nicht die Manager auf das Podest heben würde, die ein Weltautomarkt, der mit dem Nachlassen der Nachfrage aus China zurechtkommen muß, braucht. Es ist denkbar daß Piëch hier wie so oft den richtigen Riecher hatte – aber durch den jüngsten Fauxpas hat er seine Chancen, das Steuer bei VW nochmals herumzureißen, klar verringert. Die ganze Sache ist noch nicht ausgestanden, und der 78jährige Piëch wird noch ein, zwei Asse im Ärmel haben, aber mit einer sachlichen Diskussion hinter den Kulissen hätte Piëch sowohl sich als auch VW einen größeren Dienst erwiesen.