© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die Sicherheitsmaßnahmen auf Mailands Domplatz wurden in der Karwoche massiv verschärft. Polizei und Militär patrouillierten und stellten Posten mit schußsicherer Weste und Maschinenpistole. Jeder, der in einer der langen Warteschlangen stand und die Kirche betreten wollte, mußte seine Taschen öffnen, gelegentlich fanden auch Leibesvisitationen statt. Dann kam der freundlich lächelnde Mann arabischer Herkunft mit seiner Frau im Hidschab zur Besichtigung des Gotteshauses. Der Carabinieri-Offizier zögerte einen Moment, zuckte mit den Achseln und winkte sie durch.

Als Ursache für die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Südafrika wird auch die Frustration der Einheimischen über die beruflichen Erfolge der Fremden genannt. Dabei spielt die schlechte Schulbildung der Südafrikaner eine Rolle, die manchen Arbeitgeber veranlaßt, dem den Vorzug zu geben, der in den Nachbarländern einen Abschluß gemacht hat. Es ruft der Vorgang die Erinnerung an jenen Korrespondenten wach, der in den finsteren Zeiten der Apartheid einen Skandal auslöste, weil er in einem Bericht darauf hinwies, daß das Bildungssystem Südafrikas zwar auch auf Rassentrennung beruhte und manche Ungerechtigkeit zeigte, aber immerhin funktionierte, im Gegensatz zu praktisch jedem anderen Staat des Schwarzen Kontinents.

Der Paternalismus der Linken unterscheidet sich von dem der Rechten in dem Punkt, daß die Linke ihren Schutzbefohlenen die künftige Emanzipation zusichert – und manchmal auch an dieses Versprechen glaubt.

Deutsche Staatsbürger russischer Herkunft kämpfen auf der Seite der Separatisten in der Ukraine, deutsche Staatsbürger arabischer, libanesischer, türkischer Herkunft kämpfen auf der Seite des IS oder der Aufständischen in Syrien, deutsche Staatsbürger kurdischer Herkunft kämpfen auf der Seite der Peschmerga. Angesichts dessen genügt es nicht, an Zuwanderungsenthusiasten zu erinnern oder an die blöde Begeisterung für den Doppelpaß. Man muß auch in den Blick nehmen, daß selbst die, die der Meinung waren, es sollte auf Anerkennung des westlichen Wertesystems oder einer deutschen Leitkultur gedrungen werden, nur mehr Rückzugsgefechte führten.

Bildungsbericht in loser Folge LXXIII: Der Deutsche Philologenverband kritisiert die von den Kultusministerien der Länder aufgestellte Behauptung, daß an den allgemeinbildenden Schulen nur zwei bis drei Prozent des Unterrichts ausfielen. Tatsächlich handele es sich dabei um eine trickreiche Glättung der statistischen Daten. Faktisch gehe es um einen Anteil, der bei acht Prozent liege, was im Laufe der Schulzeit eines Gymnasiasten zum Verlust von etwa einem Jahr Unterrichtszeit führe.

„… man mußte Charlie sein, weil man sonst Dieudonné gewesen wäre; man mußte tolerant sein, außer denen gegenüber, die nicht wie [der sozialistische Premier] Valls dachten; man mußte den Zusammenhängen ausweichen und nicht zur Kenntnis nehmen, daß die Kriminellen ihre Verbrechen im Zeichen der Rache für den Propheten begingen; man mußte versichern, daß die Redaktion von Charlie für die Meinungsfreiheit gestorben war, aber begreifen, daß die Meinungsfreiheit endet, wenn man die Regeln des medialen Katechismus verneint; man mußte in Masse aufmarschieren und applaudieren, wollte man nicht als Komplize der Mörder gelten; man mußte sagen, daß der Islam, jeder Islam, eine Religion des Friedens, der Toleranz und der Liebe sei – mit einem Wort, man mußte nicht länger denken, sondern gehorchen, dem von den Medien aufgestellten Dogma glauben, (…) Man sollte das Buch ‘Propaganda’, Untertitel ‘Wie man die Meinung in einer Demokratie manipuliert’ lesen oder wiederlesen, von Edward Bernays, dem Neffen Sigmund Freuds, der diesen Text 1928 publizierte, um zu erklären, wie eine kleine Gruppe von unsichtbaren Menschen den Konsens in der Demokratie fabriziert.“ (Der französische Philosoph Michel Onfray, in einem Interview mit der belgischen Zeitung Le Soir vom 28. März 2015.)

Woher der triumphierende Tonfall, in dem das Ende des weißen Amerika verkündet wird?

Die Debatte über die Vergewaltigungen durch amerikanische Soldaten bei der Besetzung Deutschlands 1945 ist an sich begrüßenswert. Sie führt aber nicht zu der notwendigen Konsequenz, den Begriff „Befreiung“ überhaupt in Frage zu stellen. Entweder wird das Schicksal der Frauen ausschließlich als individuelles Leid betrachtet oder irgendeine Genderperspektive eingeführt. Immerhin kann die Interpretation von Claus Kleber als seltene Entgleisung betrachtet werden, der äußerte, das Beschweigen der von westlichen Truppen an Deutschen begangenen Kriegsverbrechen gehe auf die Goebbels-Propaganda gegen die sowjetischen zurück.