© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Die Erlösung in Fanatismus
Ausstellung zum 70. Geburtstag des Malers Heinz Plank im sächsischen Freital
Sebastian Hennig

Im Blick auf die Leipziger Schule verweilt die Aufmerksamkeit zum einen auf der Gründergeneration und sodann auf den vermeintlichen Enkelschülern. Während erstere innerhalb der sogenannten DDR-Kunst, als einem abgeschlossenen Forschungsgebiet, gehalten werden, ragt der Ruhm letzterer auf sehr hohen und äußerst filigranen Stelzen empor. Zugleich beschatten sie unter sich die mittlere Generation, die dazwischen aufbrach und ebenfalls noch auf dem Weg ist. Zu diesen unmittelbaren Studenten gehören beispielsweise Wolfgang Böttcher (Jahrgang 1949) und Baldwin Zettl (Jahrgang 1943), die den Kupferstich wiederbelebten und jeder nach seinem Temperament auf virtuose Höhen führten, sowie der malende Fanatiker Heinz Plank.

Diese Meister werden ausschließlich durch eine Szene von Verehrern, Sammlern und Freunden getragen und können sich nicht auf die subventionierte Kulturbetriebsmechanik verlassen, welche heute dem Ruhm seine tönernen Füße modelliert. Das bedeutet aber auch, ihr Ruf resultiert aus eigener Stimmkraft.

Neben diesem Kartell der Kuratoren und Großhändler mit seinen klaffenden Wahrnehmungslücken bestehen kleine Galerien und Provinzmuseen, die nicht nach Bauchgefühl und Zugehörigkeit entscheiden, sondern der Qualität ihren Preis zuerkennen. Diese Verfechter zeitgenössischer Kunst lassen Nebenschauplätze zum Nabel der Kunstwelt werden. Heinz Plank kann seit Jahren im Erfurter Bilderhaus ausstellen; eine Schau war 2005 im Panoramamuseum in Bad Frankenhausen zu sehen; sein „Kreuzweg“ wurde 2009 im Museum am Dom in Würzburg gezeigt.

Die Werkschau zum siebzigsten Geburtstag des eigensinnigen Meisters richten die Städtischen Kunstsammlungen im sächsischen Freital aus, wo in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Ausstellungen zu so eigenwilligen und schwer durchschaubaren Malerpersönlichkeiten wie Willy Kriegel, Sascha Schneider und Richard Müller zu sehen waren.

Heinz Plank war nach seinem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig bei Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke noch zwei Jahre Meisterschüler bei letzterem. Darauf lehrte er selber für drei Jahre in Schneeberg und Berlin-Weißensee. Seit 1976 ist er freischaffend tätig.

Illusion und Desillusion, Resignation und Rebellion weben in seinen Bildern. Seit vierzig Jahren macht er das gleiche und hat es immer weiter fortentwickelt. Museumsleiter Rolf Günther erwähnt in seiner Einleitung, wie der Künstler den Signalgeber der DDR-Kunsthistorie Wolfgang Hütt seinerzeit in völlige Ratlosigkeit stürzte mit seinem Gemälde „Die Restauration findet nicht statt“.

Ratlos werden vor Planks Bildern allerdings nur die Normalitätssimulanten. Wer reizbar genug ist, zu empfinden, wie unsere Situation tatsächlich bestellt ist, dem bietet die präzise Konturierung ihrer schlechten Normalität in Planks Gemälden ein entlastendes Vergnügen. Denn diese Kunstwelt ist so paradox und tröstlich wie die wirre Natur. Abbildungen erweisen der Malerei allerdings einen schlechten Dienst. Es ist erforderlich, sich dem Gefüge aus Organen, Organismen und Organisationen unmittelbar auszusetzen. Nur mit dieser Erfahrung lassen sich die Reproduktionen erschließen. Zu ungewohnt ist, was uns da gegenübergestellt wird.

Mit diesen Bildern hat der Maler so lange gerungen, sich befreiend und unverzweifelt mit ihnen befaßt, daß sich der Betrachter im Nu in eine mindestens ebenso lange (oft längere) Erkundung verstrickt findet. Die fanatische Präzision des Vortrags wird erlöst in landschaftliche, kosmische Zusammenhänge. Alle Gemälde sind nicht Anhäufungen bizarrer Details, sondern weite offene Tableaus. Der Blickt schweift immer wieder zwischen Überschau und Tiefensicht. Dort zieht eine Wolke verwirrenderweise hinter einem Mond vorbei. Eine entzündete Brustwarze lagert einem Klumpen Rindertalg auf. Hakenkreuze und Davidsterne sind an verborgenen Stellen in die Malfläche gebrannt und gekerbt. Ein Spatel oder Skalpell ist wie in einer Hirnmasse eingefaßt. Haben hier böse Chirurgen ihr Besteck eingenäht?

„In Dunkelheit von Licht gezeichnet“ (2009) geschieht der Absturz in bodenlose Weltnacht, in deren Tiefe ein ferner Globus wie eine Perle aufgehängt ist. „Abgetrenntes Leben“ ist ein komplexes Stück aus Gliedern und Häusern. Der Klumpen eines unschätzbaren Konglomerats ist aus einem steilen Massiv herausgestürzt in eine Gebirgslandschaft. Der Frost des Nihilismus sprengte ihn ab vom Lebenszusammenhang. Wir sind erinnert an Borkenkäfergänge, wundes Zahnfleisch, Felsgesichter, Wundkanäle und Einschußlöcher. Zwischen den Entzündungsherden und Narbenfleisch gibt es frische Lebensfarben und regenbogenartige Streifen. Ungewiß, ob da Fäulnis schimmert oder Leben aufblühen will. Es sieht aus, als würde sich diese Sintflut aus Gekröse zurückziehen. Klärt sich da etwas auf? Oder handelt es sich um ein teuflisches Vexierbild. Was reingesteckt wird, das schaut heraus. Während der Betrachter auf die Bilder starrt und um Verständnis ringt, wird aus diesen höhnisch oder hilflos zurückgeblickt. Überall blecken Augen, Knöpfe oder geschliffene Steine entgegen.

Die Ausstellung „Heinz Plank – Malerei zum 70. Geburtstag des Künstlers“ ist bis zum 10. Mai in den Städtischen Kunstsammlungen Freital auf Schloß Burgk, Altburgk 61, zu sehen.

www.freital.de/museum