© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/15 / 24. April 2015

Knapp daneben
Gewalt hat wieder eine Zukunft
Karl Heinzen

München war schon immer eine Metropole mit hohem Freizeitwert. Nun ist sie um eine weitere Attraktion reicher. Anfang März hat der Jungunternehmer Hartmut Mersch im Stadtteil Pasing seinen „Wutraum“ eröffnet. In ihm dürfen sich die Kunden 30 Minuten lang nach Herzenslust austoben und das Mobiliar mit Baseballschläger und Vorschlaghammer zertrümmern. 139 Euro kostet der Spaß, was auch für ein anspruchsvolles Freizeitvergnügen ein stolzer Preis ist. Allerdings muß Mersch permanent in immer neue Einrichtungsgegenstände aus Haushaltsauflösungen investieren und den Schutt, den die glücklichen Kunden hinterlassen, entsorgen.

Es dürfte aber nicht von Dauer sein, daß sich nur Besserverdienende einen Besuch des Wutzimmers leisten können. Mersch kann als klassischer Pionier Preise willkürlich festlegen. Seine Monopolstellung wird aber enden, wenn sich sein Geschäftsmodell bewährt und Nachahmer auf den Plan treten.

Schon bald könnte daher neben so manchem McFit noch ein McFury die Tore zum Abreagieren öffnen.

Damit ist zu rechnen, da in unserer Gesellschaft ein großes Gewaltpotential schlummert, das kaum eine Chance hat, sich zu entfalten. Der Alltagsstreß in Beruf, Ausbildung, Beziehung, Familie und Freizeit wird für viele immer unerträglicher, und das Bedürfnis, einfach einmal unkontrolliert Dampf abzulassen, wächst. Die Angebote, die Block­upy, Hooligans, Rocker und andere hierfür parat halten, sind für die meisten jedoch unattraktiv, da sie strafrechtliche Konsequenzen fürchten müßten.

In Wutzimmern hingegen dürfen sie ihren Aggressionen freien Lauf lassen, ohne vor Gericht zu landen. Schon bald könnte daher neben so manchem McFit noch ein McFury die Tore öffnen, in dem sich nach dem Training der restliche Energieüberschuß abreagieren läßt. Für den gehobenen Geschmack werden noble Etablissements in besseren Lagen Sonderwünsche befriedigen. In ihnen können Kunden dann etwa das Büro des Chefs oder die Wohnung der Ex nachbauen lassen. Das pazifistische Dogma, das uns mit seinem Appell an Sanftmut und Frieden überfordert, wäre endlich erschüttert. Gewalt ist ein menschliches Grundbedürfnis, und daher kann sie nicht inhuman sein.