© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Unangefochtener Platzhalter
Bremen: Bei der Bürgerschaftswahl in der Hansestadt kommt niemand an der SPD und Bürgermeister Jens Böhrnsen vorbei
Christian Schreiber

In Bremen ist alles ein bißchen kleiner und bescheidener. So ist auch der Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl am 10. Mai entsprechend schleppend angelaufen. Vorwahlumfragen, wie sie in anderen Bundesländern regelmäßig veröffentlicht werden, gibt es in Bremen nur selten. Doch die Zahlen, die bisher präsentiert wurden, lassen keinen Zweifel daran, daß die seit Kriegsende regierende SPD mit Amtsinhaber Jens Böhrnsen auch den künftigen Bürgermeister stellen wird.

Die Bilanz nach mehr als 60 Jahren sozialdemokratischer Herrschaft ist zwar dürftig, in fast allen Ländervergleichen schneiden Bremen und Bremerhaven am schlechtesten ab. Zwar ist die Zustimmung für die SPD in den vergangenen Wahlperioden geringer geworden, aber daß sie ihr Ergebnis von rund 38 Prozent aus dem Jahr 2011 wird halten können, daran zweifelt kaum jemand.

Auch nicht Elisabeth Motschmann (Portrait Seite 3). Die 62 Jahre Bundestagsabgeordnete führt die traditionell erfolglose und zerstrittene Bremer CDU in den Wahlkampf. Vor vier Jahren erzielte die Union gerade einmal 20 Prozent: „Ich erwarte nun nicht, daß wir unser Ergebnis gleich verdoppeln können, aber einen signifikanten Anstieg halte ich für möglich“, glaubt Motschmann. Im vor sich hindümpelnden Wahlkampf landete die CDU-Kandidatin allerdings einen Volltreffer, als sie den Amtsinhaber zu einem TV-Duell herausforderte. Böhrnsens Ablehnung schlachtete die Union in der Folge genüßlich aus. „Vor einer Wahl haben die Menschen aber ein Recht darauf, sich ein klares Urteil von den zur Wahl stehenden Parteien und ihren Kandidaten bilden zu können“, sagte Motschmann und machte den Bürgermeister auch für eine mögliche Politikverdrossenheit am Wahltag verantwortlich: „Seine Verweigerung zum Diskurs wird dazu führen, daß die Wahlbeteiligung weiter sinkt.“

Dennoch ist der Regierungschef der beliebteste Politiker im kleinsten Flächenstadtstaat. Zu spüren bekommt dies auch der bisherige Koalitionspartner. Nur noch 16 Prozent werden den Grünen vorhergesagt, das wären mehr als sechs Punkte weniger als vor vier Jahren. Bei den beherrschenden Wahlkampfthemen wie Schuldenbremse, Bildung und Flüchtlingspolitik kann die Partei kaum punkten: „Die Zahlen zeigen: Rot-Grün kann weiter regieren. Das ist das Positive. Aber die 16 Prozent sind ein klarer Dämpfer für uns und ein Weckruf“, sagte der Fraktionsvorsitzende Matthias Güldner, der fürchten muß, daß seine Partei einen Senatoren-Posten verlieren könnte.

Nutznießer des bisher eher lahmen Wahlkampfs könnte wie schon in Hamburg die FDP sein. 2011 unter „ferner liefen“, winkt den Liberalen mit sechs Prozent der Einzug in die Bürgerschaft, was vor allem mit der Spitzenkandidatin Lencke Steiner zusammenhängen dürfte. Die 29 Jahre alte Jungunternehmerin kommt in der Bevölkerung so gut an, daß der stellvertretende Parteichef Wolfgang Kubicki Wetten annimmt, „daß wir acht Prozent erreichen werden“. Wie bereits in Hamburg mit der telegenen Kandidatin Katja Suding setzt die FDP bei ihrem Comeback-Versuch auf die optischen Reize ihrer Spitzenkandidatin und eine moderne Kampagne.

Neben der FDP dürfte auch die Linkspartei gute Chancen haben, wieder in die Bürgerschaft einzuziehen. Sie punktet in Bremen und auch im Wahlbezirk Bremerhaven vor allem in Wahlkreisen, in denen die sozialen Spannungen am größten sind. In diesen Vierteln hat auch die konservative Wählervereinigung „Bürger in Wut“ ihre Aktivitäten in den vergangenen Tagen verstärkt. Die Organisation um den Kriminalbeamten Jan Timke profitierte bereits zweimal von der Besonderheit des Bremischen Wahlrechts, wonach die Wahlbezirke Bremen und Bremerhaven getrennt ausgewertet werden.

Ein Überspringen der Fünfprozenthürde in der Hafenstadt garantiert somit ein Mandat in der Bürgerschaft. Die „Bürger in Wut“ sorgten im Wahlkampf zuletzt mit scharfen Thesen für eine andere Flüchtlingspolitik für Aufsehen. Vertreter von SPD und CDU warfen der Vereinigung daraufhin „Rassismus und Rechtspopulismus“ vor. In den Wahlumfragen liegt die Partei landesweit bei nur etwa drei Prozent und ist daher erneut auf einen Wahlerfolg in ihrer Hochburg Bremerhaven angewiesen. Zu schaffen macht den „Wutbürgern“ vor allem der erstmalige Antritt der AfD, die derzeit bei fünf Prozent liegt (JF 18/15).