© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Im Strudel der Skandale
Spanien: Geldwäsche, Steuerbetrug und Vermögensdelikte / Der Fall Rato forciert den Absturz des konservativen Partido Popular
Michael Ludwig

Für die konservative spanische Partei PP (Partido Popular) ist der größte anzunehmende Unfall eingetreten. Eine ihrer Ikonen, der frühere Vize-Regierungschef und zwischen 2004 und 2007 Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Rodrigo Rato, ist vor laufenden Kameras wegen Geldwäsche, Steuerbetrug und dem Verschieben von Vermögen in betrügerischer Absicht vor seiner Wohnung im eleganten Madrider Bezirk Salamanca vorübergehend festgenommen worden.

Zunächst schien es, als habe die vom PP gestellte Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy die letzten aufsehenerregenden Fälle von Korruption einigermaßen schadlos überstanden. Die konsequent den Reformen verpflichtete Wirtschaftspolitik trug Früchte – die Arbeitslosenzahl verringerte sich im März 2015 im Vergleich zu März 2014 um 340.000, das Wirtschaftswachstum soll noch in diesem Jahr um 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen.

Regierende PP rutscht bei Umfrage auf Platz drei

Kein Wunder, daß Rajoy und seine Mannschaft für die bevorstehenden landesweiten Kommunalwahlen am 24. Mai Hoffnung schöpften. Die Bevölkerung werde diese positive Entwicklung honorieren und so den Abwärtstrend der Partei stoppen, hieß es in den Madrider Ministerien. Doch dieser Silberstreif am Horizont droht nun endgültig zu verblassen, denn die spanischen Wähler sind nicht mehr dazu bereit, dem PP weiteren politischen Kredit einzuräumen, wenn es um charakterlichen Anstand geht. Das gilt auch für Rodrigo Rato, den Vater des spanischen Wirtschaftswunders. Als Wirtschafts- und Finanzminister unter der Regierung von José Maria Aznar war es ihm zwischen 1996 und 2004 gelungen, die Arbeitslosigkeit von 22 Prozent zu halbieren und das Haushaltsdefizit von sechs Prozent auf null zu fahren.

Der Abstieg Ratos begann, als er 2009 Mitglied des Vorstands der Caja Madrid und ein Jahr später Vorsitzender der Bankia, einem Zusammenschluss der Caja Madrid mit zahlreichen spanischen Sparkassen wurde. Obwohl es dem Geldinstitut wirtschaftlich schlecht ging und es schließlich mit einem Milliardenbetrag aus dem Rettungsfonds der Europäischen Union für marode Banken gestützt werden mußte, verantwortete er während seiner Amtszeit die sogenannten „schwarzen Kreditkarten“.

Für 86 Topmanager und Aufsichtsratsmitglieder bedeutete dies buchstäblich einen Ausflug ins Schlaraffenland – sie nutzten die Karten ausschließlich für private Zwecke: für Hotelaufenthalte, Restaurantbesuche, Einkäufe in Bekleidungsgeschäften oder hoben am Geldautomaten Bares ab, wenn sie einmal klamm waren.

Interessant ist ein Blick auf die Liste, wer da so schamlos zugegriffen hat. An erster Stelle steht der Erfinder des Systems, der ehemalige Generaldirektor Ildefonso Sánchez Barcoj, der es in zehn Jahren auf 484.000 Euro brachte; an zweiter rangiert der Vertreter der kommunistisch orientierten Partei Izquierda Unida (Vereinigte Linke) im Verwaltungsrat, José Antonio Moral Santin, mit 456.000 Euro. Selbst der ehemalige Verwaltungschef des Königshauses unter Juan Carlos, Rafael Spottorno, schreckte nicht davor zurück, sich zu bedienen, wenn auch mit einer geringeren Summe. Rodrigo Rato war mit 54.000 Euro dabei, die er inzwischen wieder zurückgezahlt haben will. Insgesamt belief sich der Schaden für die Bank, der auf diese Weise entstanden ist, auf rund fünfzehn Millionen Euro.

Doch damit nicht genug – als Bankia 2011 an die Börse ging, soll ihre Führung Bilanzen gefälscht haben. Die Folge war, daß zahlreiche Kleinanleger ihr Geld verloren.

In einer Zeit, in der die Regierung die Bevölkerung dazu aufforderte, Verzicht zu üben, um die wirtschaftliche Krise bewältigen zu können, war ein Politiker wie Rato nicht mehr zu halten. Ministerpräsident Mariano Rajoy überredete im Oktober 2014 seinen Parteifreund, aus dem Partido Popular auszutreten.

Hintergrund der neuerlichen Ermittlungen ist eine Strafanzeige der Bankia gegen die damals Verantwortlichen; sie will 133 Millionen Euro wiedererstattet haben. Um die drohende Regreßforderung ins Leere laufen zu lassen, hat Rato, so der Vorwurf, versucht, Teile seines Vermögens zu verschleiern. Die Tageszeitung El Mundo bezifferte es auf insgesamt 27 Millionen, darunter ein Hotel in Berlin; Rato dementierte diese Zahl.

Schon vor dem Bekanntwerden der Causa Rato befand sich der PP, so die Meinungsforschungsinstitute, auf einem traurigen Tiefpunkt – der stürzte von 44,6 Prozent, die er bei der Parlamentswahl 2011 erzielte, auf 20,8 Prozent ab. Auf den ersten Platz kam die linksradikale Podemos-Partei mit 22,1 Prozent, gefolgt von den Sozialisten mit 21,9 Prozent.

Foto: Protest nach Bekanntwerden der neuesten Schmiergeld-Affäre in Madrid: Schluß mit der Korruption