© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

Antirassismuskurse für alle
Deutsches Institut für Menschenrechte: Deutschland habe im Kampf gegen Fremdenhaß reichlich Nachholbedarf
Heiko Urbanzyk

Petra Follmar-Otto zeigt sich kämpferisch. Die „Bekämpfung von Rassismus muß in Deutschland endlich zu einem wichtigen Politikfeld“ werden, erklärte die Leiterin der Abteilung Inland/Europa des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) Mitte vergangenger Woche. Der Termin war geschickt gelegt, denn am 5. und 6. Mai prüft der UN-Fachausschuß gegen rassistische Diskriminierung (CERD-Ausschuß) Deutschland.

Rückblick: Hektik im Bundestag. Im März einigten sich die Koalitionsfraktionen in letzter Sekunde auf eine gesetzliche Grundlage für das Deutsche Institut für Menschenrechte. „Wir wünschen uns, daß die gesetzliche Grundlage möglichst von allen Abgeordneten getragen wird – wie dies bei dem Bundestagsbeschluß zur Gründung des Instituts im Jahr 2000 der Fall war“, mahnte das Institut in einer sonst spürbar erleichterten Presseerklärung.

Das als Verein vor 15 Jahren gegründete DIMR drohte ab Mitte März auf internationaler Ebene seinen A-Status zu verlieren und als Einrichtung zweiter Klasse zu enden. Bei fruchtlosem Verstreichen dieser Frist hätte das DIMR im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN) nahezu sämtliche Mitwirkungsrechte verloren. Die Reputation der Bundesrepublik Deutschland in Menschenrechtsfragen hätte hierunter sehr gelitten, wie Frank Schwabe (SPD) in einer hitzigen Bundestagsdebatte betonte.

Politisch unabhängig,

aber staatlich finanziert

Den Bundestag traf das Thema nicht überraschend. Seit Monaten wurden die Abgeordneten durch das International Coordinating Committee (ICC) angezählt, endlich gesetzlich die Rechts- und Aufgabenstellung des DIMR zu regeln. Einen entsprechenden Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen verschleppte der Menschenrechtsausschuß des Bundestages seit einem halben Jahr.

Die Parteien sahen sich in einer Zwickmühle. Das DIMR muß gesetzlich einerseits auf festen Beinen stehen und aus öffentlichen Geldern finanziert werden, andererseits jedoch von staatlicher Einflußnahme unabhängig sein. So sehen es die Pariser Grundsätze aus dem Jahre 1993 vor, auf deren Grundlage das DIMR gegründet wurde. Die Anlage zu den Pariser Grundsätzen der Generalversammlung der VN verlangt: „Nationale [Menschenrechts]Institutionen erhalten ein möglichst breites, in einem Dokument mit Verfassungs- oder Gesetzesrang klar festgelegtes Mandat, in dem ihre Zusammensetzung und ihr Zuständigkeitsbereich im einzelnen beschrieben sind.“

Im Jahr 2000 einigten sich sämtliche Bundestagsfraktionen darauf, die Gründung des DIMR als eingetragenen Verein zu unterstützen und die Finanzierung zu sichern. Weiter wollte sich die Politik nicht einmischen. Dem ICC, das die Arbeit der nationalen Menschenrechtsinstitute und die Einhaltung der Pariser Grundsätze überwacht, reichte dies nicht.

Die Einrichtung von unabhängigen Menschenrechtsinstituten ist eine alte Forderung der Vereinten Nationen und Europäischer Union an ihre Mitgliedsstaaten. Eine Pflicht dazu besteht nicht. Die Pariser Grundsätze legen die Gründung lediglich nahe. Die EU forderte mehrfach dazu auf – unter anderem in einer Empfehlung der EU-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz aus dem Jahr 1997. Welcher Staat der „westlichen Wertegemeinschaft“ möchte trotz soviel Unverbindlichkeit schon als Menschenrechtsmuffel dastehen?

Das DIMR gründete sich im Jahr 2000 mit einem jährlichen Haushalt von 1,5 Millionen Euro zuzüglich einmalig 375.000 Euro für die Erstausstattung. Die Finanzierung erfolgte aus den Etats der Bundesministerien für Justiz, Entwicklungshilfe, Arbeit und Soziales sowie des Auswärtigen Amtes. Nach dem neuen Gesetzentwurf wird die Finanzierung künftig einzig aus dem Haushalt des Bundestages erfolgen. Laut Jahresbericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte für das Jahr 2012 belief sich der Etat auf mehr als 3,2 Millionen Euro. Die Veröffentlichung der Zahlen für das Jahr 2013 steht kurz bevor. Wie die Pressestelle auf Anfrage der JF mitteilt, seien die Ausgaben etwas höher im Vergleich zu 2012.

Die inhaltlichen Richtlinien der Arbeit des DIMR werden von einem Kuratorium festgelegt, das aus Vertretern von „Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Medien und Politik zusammengesetzt ist“. Politiker, die einem geldgebenden Ministerium angehören, haben kein Stimmrecht. Dem Institut steht die Gleichstellungsrechtlerin Beate Rudolf (FU Berlin) vor. Sie ist unter anderem Mitherausgeberin von Band 14 von Querelles – Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung.

Das Themenfeld des DIMR ist auf den ersten Blick breit gefächert. Beim näheren Hinsehen liest es sich wie ein typisch links-grüner Forderungskatalog zu den Themen Antirassismus, Gleichstellung und Inklusion.

Dagegen einwenden läßt sich kaum etwas. Bereits die Pariser Grundsätze fordern in Punkt 3.g) „die Bekämpfung aller Formen von Diskriminierung, insbesondere der Rassendiskriminierung (…)“ Das DIMR hat dabei das Argument der „unteilbaren Menschenrechte“ auf seiner Seite: Das Recht auf Wohnung, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Freizeit, das Recht auf Nahrung und Kleidung und so weiter und so fort stehen jedem an jedem Ort zu jeder Zeit zu. Selbstverständlich unabhängig davon, ob man Staatsbürger und Steuerzahler im betreffenden Staat ist oder sich dort als Asylbewerber aufhält.

Zum Antirassismustag der VN am 21. März forderte das DIMR die Abschaffung des „Racial Profiling“ durch die Polizei. Das Bundespolizeigesetz erlaubt es im § 22 Absatz 1 a), jede Person ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Da das Gesetz zum Beispiel illegale Einwanderung verhindern soll, führt dies zu entsprechenden Kontrollen von mutmaßlich Illegalen an Bahnhöfen. „Das ist jedoch wegen des Verbots rassistischer Diskriminierung im Grundgesetz und internationalen Menschenrechtsverträgen unstreitig verboten“, meint das DIMR. Alle Normen, die ein „Racial Profiling“ erlauben müßten daher abgeschafft werden.

Das DIMR gehört dem Bündnis „Stop Racial Profiling“ an. Dazu gehören verschiedene Akteure der Migrationsindustrie wie die „Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V.“. Mit deren Vorsitzendem Tahir Della drehte das DIMR ein im Netz abrufbares Video. Della wirft der Polizei nicht nur verdachtsunabhängige Kontrollen vor, sondern Gewaltanwendung aufgrund „rassistischer Zuschreibung“. Beschwerden würden seitens der Polizei nicht nachgegangen. Der deutsche Rassismusbegriff sei zu eng, da er davon ausgehe, ein rassistisches Handeln liege nur bei rassistischer Intention vor. „Tatsächlich ist es aber so, daß weiße Menschen rassistisch handeln können, auch ohne rassistisch handeln zu wollen“, belehrt Della. Polizisten müßten daher zu Antirassismus-Schulungen verpflichtet werden.

Im Rahmen des bereits erwähnten UN-Ausschusses der Staatenberichtsprüfung Deutschlands legte das DIMR einen eigenen Bericht (Parallelbericht) vor, der in puncto Rassismus explizit kritische Aspekte in Deutschland ansprach.

Konkret warnt Hendrik Cremer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, in diesem Zusammenhang davor, den Rassismus in Deutschland allein mit dem „gewalttätigen und organisierten Rechtsextremismus“ gleichzusetzen. Rassismus sei „in der gesamten Gesellschaft“ zu finden. Laut Cremer bewiesen dies die „Debatten um die rassistischen Thesen von Thilo Sarrazin vor einigen Jahren oder die Pegida-Demonstrationen von heute“ in aller Deutlichkeit. Rassismus sei in Deutschland aber auch ein „erkennbares Problem in staatlichen Institutionen und Behörden“: So hätten etwa Einstellungs- und Verhaltensmuster, die auf rassistischen Stereotypen basierten, dazu beigetragen, daß die Ermittlungen bei der Aufklärung der Taten des NSU über Jahre erfolglos blieben. Hier bestehe ein erheblicher Reformbedarf, damit „vorurteilsfrei ermittelt und rassistische Taten durch Polizei und Justiz besser erkannt werden.“

Kritik an Unterbringung

der Migranten

Handlungsbedarf besteht nach Cremer ebenso bei der Situation von Flüchtlingen. Er beklagt den Umstand, daß diese in „einigen Bundesländern oder Kommunen über Jahre vom Zugang zum Wohnungsmarkt ausgeschlossen“ würden. Ein Umstand, der „mit dem menschenrechtlich verbrieften Diskriminierungsverbot nicht vereinbar sei“.

Zum brennenden Thema der Unterbringung von Asylbewerbern äußert das DIMR jede Menge Kritik und Forderungen, wie sie zum Beispiel aus einem Leitfaden zur Unterbringung von „Flüchtlingen“ hervorgehen. Diese „Empfehlungen an die Länder, Kommunen und den Bund“ über „menschenrechtliche Verpflichtungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen“ vom Dezember 2014 stammen ebenfalls aus Cremers Feder. Er weiß zu berichten, daß Gemeinschaftsunterkünfte wegen der fehlenden Privatsphäre, des geringen Wohnraumes und des Konfliktpotentials menschenrechtswidrig seien. Er beklagt mangelnde Hygiene, Schimmelbefall, kaputte Heizungen und undichte Dächer in den Unterkünften, ohne über mögliche Ursachen bei den Bewohnern selbst ein Wort zu verlieren.

Stattdessen fordert er, daß „insbesondere Flure, sanitäre Anlagen und sonstige Gemeinschaftsflächen (…) regelmäßig und adäquat gereinigt werden“ müßten. Selbst für diese selbstverständliche Mieterpflicht soll der Staat aus Menschenrechtsgründen zuständig sein.

Deutsches Institut für Menschenrechte

Geht es um das Diskriminierungsverbot, das Folterverbot, Rechte Älterer, Rechte auf Wasser, Sanitärversorgung und Nahrung, Menschenrechte von Frauen, Menschenhandel, Schutz vor Rassismus oder die Themen Migration und Integration, um das Thema Wirtschaft und Menschenrechte, Rechte von Menschen mit Behinderungen, um Menschenrechte in der Entwicklungspolitik, um Flüchtlinge, das Recht auf Bildung, um Kinder oder Sicherheitspolitik, tritt der von drei Bundesministerien und Drittmitteln finanzierte eingetragene Verein in Aktion. Er berät nicht nur Parlament, Regierung und Zivilgesellschaft, sondern veröffentlicht ebenso Stellungnahmen, Positionspapiere und Bildungsmaterialien. Zudem verfaßt er Gutachten für Gerichte und führt Fortbildungen für Journalisten, Lehrpersonal und für Mitarbeiter der Justiz, Polizei und Bundeswehr durch. Die Richtlinien für die inhaltliche Arbeit legt ein 18köpfiges Kuratorium fest. Es besteht aus Vertretern aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Medien.

www.institut-fuer-menschenrechte.de