© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/15 / 01. Mai 2015

CD-Kritik: Ottorino Respighi
Tänzerische Grazie
Sebastian Hennig

Unter Leitung von John Neschling spielt das Königliche Philharmonische Orchester Lüttich zwei Werke von Ottorino Respighi. Der schuf die „Impressioni brasiliane“ im Andenken seiner Reise nach Rio de Janeiro. Von der Arbeit an der geplanten fünfsätzigen Suite wurde er abgelenkt. So wurde 1928 in Rio ein Triptychon uraufgeführt. Die Stimmen der Instrumente werden mit der schlafwandlerischen Grazie gehandhabt, mit der ein chinesischer Tuschmaler seinen Pinsel bewegt. Die „Notte tropicale“ wird von der Oboe durchsungen. Die Dunkelheit dieser tropischen Nacht ist sehr durchsichtig, zart und farbig. „Butantan“ ist der Erinnerung an einen bizarren Besuch im medizinischen Institut gewidmet, wo Tausende giftige Schlangen und Spinnen zu sehen waren. Der groteske Eindruck wird sogleich wieder von Lieblichkeit abgelöst. Heiter wie ein junges Mädchen im farbigen Sommerkleid über die Wiese hüpft, so schwingt sich die „Canzone e Danza“ zu Ende. Nachdem Rossini das Opernkomponieren beendet hatte, gab er sich zuweilen noch sogenannten Alterssünden hin. Auf der Grundlage acht solcher Miniaturen hat Respighi 1918 dem russischen Ballett einen Schlager zusammengestellt. Während gerade die alte Welt zusammenstürzte, komponierte er mit „La Boutique fantasque“ ungerührt Ballettmusik im Stil des 19. Jahrhunderts.

Ottorino Respighi Impressioni brasiliane La Boutique fantasque BIS Records 2014 www.bis.se