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Nicht alle Sieger wollen feiern
Militärparade in Moskau: Der Westen glänzt durch Abwesenheit, doch die Brics-Staaten halten Putin die Treue
Thomas Fasbender

Geübt wird seit Wochen, bei Wind und Wetter. 16.500 Soldaten, begleitet von modernster Technik wie dem brandneuen Kampfpanzer T-14, marschieren am Samstag über den Roten Platz. Was auf manchen Betrachter archaisch wirkt, ist kein erzwungenes Schauspiel. Der Dank für die Opfer der Kriegsgeneration durchzieht die russische Gesellschaft von Jung bis Alt.

Getreu der westlichen Parteinahme im ukrainischen Bürgerkrieg boykottieren die Staats- und Regierungschefs der EU und der Nato die Militärparade im Gedenken an die deutsche Kapitulation vor 70 Jahren. Auf den Bildern, die von dem Ereignis bleiben, wird der russische Präsident eingerahmt von seinen Kollegen aus China und Indien zu sehen sein. Daneben ein weiterer Asiate, der koreanische UN-Generalsekretär Ban Ki-moon – er hat sich dem Druck aus Washington nicht gebeugt und wird nach Moskau reisen.

Absage aus Nordkorea kommt Moskau zupaß

Europäische Staatschefs sind auf den Fotos nicht zu sehen; der Kontinent, den Paul Valéry ein „Kap Asiens“ genannt hat, ist in den Hintergrund getreten. Im Rampenlicht stehen die Führer der sogenannten Brics-Staaten: Rußland, China, Indien, Brasilien und Südafrika. Auch Vietnam, der ewig unterlegene asiatische Rivale der Chinesen, zeigt durch die Anwesenheit seines Präsidenten, daß die Geschichte noch lange nicht zu Ende ist.

Nun ist die Lesart in den westlichen Hauptstädten (noch) eine völlig andere. Rußland, das sich dem Westen zuletzt bewußt entzogen und entfremdet hat, wird dort als komplett isoliert dargestellt.

Ganz sicher sind sich die Europäer da aber auch nicht. Die Präsidenten Tschechiens und der Slowakei wollen immerhin am 9. Mai in Moskau mit dabeigewesen sein – für die Zeit der Militärparade haben sie allerdings bilaterale Gespräche angesetzt. Auch die deutsche Bundeskanzlerin spürt, daß eine kaltschultrige Absage dem Gewicht des Jubiläums nicht angemessen ist.

So reist sie nach der Parade nach Moskau, am 10. Mai, legt einen Kranz nieder und bespricht mit Präsident Putin, wie es nun weitergehen soll. Die Russen in ihrer großen Mehrheit nehmen ihr das nicht übel; daß die Nachkommen der Verlierer sich im Hintergrund halten, ist in ihren Augen kein schlechter Stil.

Auch die Abwesenheit des nordkoreanischen Staatschefs Kim, mit dessen Teilnahme noch wenige Tage zuvor fest gerechnet worden war, betrübt in Moskau die allerwenigsten. Die Gründe für seine Absage liegen im dunkeln. Angst vor einem Staatsstreich? Unwillen vor dem Zusammentreffen mit Ausländern? Nordkorea ist auch für russische Experten ein Rätsel. Daß Kim nicht mit auf der Tribüne steht, erspart dem Präsidenten wenigstens die vorhersehbaren Schlagzeilen: Kim und Putin – zwei Schurken einsam und isoliert.

Auch die USA, die zu dem Sieg entscheidend beitrugen, den Triumph der Sowjets überhaupt finanzierten, bleiben aus eigener, freier Entscheidung außen vor. Dummheit? Amerikas eurasische Rivalen, China und Rußland vorweg, sonnen sich jetzt im Licht des Sieges.

Foto: Proben auf dem Roten Platz: Seit Wochen übten 16.500 Soldaten bei Wind und Wetter für die Siegesparade