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Bekenntnis zur Heimat
Galionsfigur der deutschen Frühromantik: Das Werk des Malers Caspar David Friedrich ist von einem Hang zum Schwermütigen und Grüblerischen geprägt / Ausstellung in Dresden
Wolfgang Kaufmann

Der Wanderer über dem Nebelmeer“, „Kreidefelsen auf Rügen“, „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“ – wer kennt sie nicht, diese Bilder von tiefgründiger Schönheit, welche allesamt von einem Mann stammen, der heute als die unbestrittene Galionsfigur der deutschen Frühromantik gilt: Caspar David Friedrich. Dabei schwelgte der Maler, der am 5. September 1774 in Greifswald in eine Handwerkerfamilie hineingeboren wurde und später zumeist in der sächsischen Kunstmetropole Dresden lebte und arbeitete, eben gerade nicht in den gefühlslastigen oder gar kitschigen Verzerrungen der Realität, die gemeinhin als idealtypisch für die Romantik gelten. Vielmehr komponierte und strukturierte Friedrich seine Bilder mit unerbittlicher Strenge, bis restlos alles Überflüssige getilgt war.

Und genau das macht die Wirkung aus: Der Betrachter wird mit keinem Feuerwerk „pittoresker“ Details und expressiv präsentierter Emotionen des Künstlers konfrontiert, sondern hat die Möglichkeit, sich dem Bild auf eine sehr vorsichtige, ja geradezu kontemplative Weise zu nähern. Friedrichs Werke kommen also still, zurückgezogen und unaffektiert daher, verlangen dem Rezipienten aber einiges an Selbstreflexion ab; am eindringlichsten geschieht dies übrigens in den Bildern, die eine oder mehrere Rückenfiguren zeigen.

Bisweilen nähern sie sich sogar den Grenzen des Abstrakten (man nehme hier nur das überaus faszinierende Gemälde „Abend“ von 1824), was die Wirkungsästhetik freilich noch erhöht und das Ganze auf positive Weise modern erscheinen läßt. Mit anderen Worten: Caspar David Friedrich gehörte zwar zu denen, welche die Romantik zur Wende des 18./19. Jahrhunderts salonfähig machten, sprengte andererseits aber auch deren Grenzen auf eine Weise, die sich jeder schematischen kunsthistorischen Einordnung entzieht.

Daß er so und nicht anders malte und zeichnete, resultierte aus seinem Lebensweg und der hierdurch geformten Persönlichkeit. Beispielsweise sorgte die strikte protestantisch-pietistische Erziehung durch den Vater für die überaus häufigen religiösen Konnotationen in den Landschaftsbildern des Romantikers, deren Ikonographie zumeist durch ganz schlichte Elemente wie Bäume, Felsen, Wolken, Wellen und Ruinen geprägt ist, wobei Friedrich aber auch keine Scheu hatte, explizit christliche Symbole zu verwenden, wenn er es für angebracht hielt.

Darüber hinaus atmet das Œuvre des Künstlers ein überdeutliches Bekenntnis zur deutschen Heimat: fremdländische Motive sucht man in aller Regel vergebens. Dafür entwickelte Friedrich ein auffallendes Faible für die Gotik, die seinerzeit nicht nur im deutlichen Kontrast zum Barock und Klassizismus gesehen wurde, sondern zugleich als urdeutsches Phänomen galt.

Dies korrelierte mit Friedrichs politischer Einstellung. Er war ein glühender Anhänger der nationalen Befreiungsbewegung und zutiefst verärgert darüber, daß seine Wahlheimat Sachsen an der Seite Napoleons stand. Das einte ihn mit Persönlichkeiten wie Heinrich von Kleist, Ernst Moritz Arndt und Theodor Körner, die in seinem kargen Dresdner Atelier ein und aus gingen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich dann auch, warum die Nationalsozialisten den „nordischen“ Friedrich vereinnahmten, während linke „Experten“ später von einer Allianz von Romantik und Politik in Gestalt rückwärtsgewandter „Deutschtümelei“ fabulierten.

Am meisten ist die Kunst von Caspar David Friedrich jedoch durch seinen Hang zum Schwermütigen und Grüblerischen geprägt, der in der häufigen Verwendung von Symbolen des Verfalls und des Todes zum Ausdruck kommt – und zwar nicht nur, wenn es um die verhaßten Franzosen ging, deren militärischen Untergang er in Bildern wie „Höhle mit Grabmal“ und „Chasseur im Walde“ feierte. Verantwortlich hierfür waren aller Wahrscheinlichkeit nach belastende Lebensereignisse, allen voran der frühe Tod der Mutter und dreier seiner Geschwister, die zu permanent wiederkehrenden depressiven Episoden und Lebenskrisen mit suizidalen Anwandlungen führten.

Zugleich wäre es aber verfehlt, Friedrichs Werk deshalb nun vorrangig durch die psychopathologische Brille zu betrachten, wie das in der Vergangenheit immer wieder versucht wurde. Zum einen ist die Materialbasis für belastbare diagnostische Aussagen viel zu schmal, zum anderen vermag sich ein diszipliniertes Genie von der Art Friedrichs sehr wohl in seiner Bildsymbolik von aktuellen Stimmungen hochfliegender oder niederziehender Art zu lösen. Das heißt, die streckenweise „melancholische“ Malweise und Motivwahl kann durchaus auch das Ergebnis rationaler künstlerischer Entscheidungen gewesen sein. Immerhin war Friedrich ja ein freier Künstler, der vorrangig vom Verkauf seiner Bilder an jedermann lebte, und mußte daher den Publikumsgeschmack im Auge behalten, um keinen finanziellen Schiffbruch zu erleiden.

Allerdings hat der Schlaganfall, den er dann im Mai 1835 erlitt und der streckenweise zu Lähmungserscheinungen an der rechten Hand führte, Friedrich tatsächlich psychisch aus der Bahn geworfen, womit sein letzter großer Produktivitätsschub endete, von dem heute noch Meisterwerke wie „Das Große Gehege“ und „Die Lebensstufen“ zeugen.

Darüber hinaus bedrückten den Maler ganz gewiß auch die Verhältnisse in Dresden, wo er die längste Zeit seines Lebens wirkte und schließlich 1824 noch zum – freilich beleidigend kümmerlich bezahlten – außerordentlichen Professor an der Königlich-Sächsischen Akademie der Künste avancierte: das einstmals so einladende und inspirierende „Elbflorenz“ verwandelte sich in den Jahren nach den Befreiungskriegen immer mehr in einen Hort der Intrigenwirtschaft, Bespitzelung und Inkompetenz. Deshalb geriet Caspar David Friedrich nach seinem Tode am 7. Mai 1840 zunächst in Vergessenheit, was nicht zuletzt dazu führte, daß zahlreiche Werke des Künstlers verschwanden. So kennen wir heute gerade einmal 36 der rund 300 Gemälde, die Friedrich geschaffen haben soll, wobei einige davon noch im 20. Jahrhundert durch die Bombardierung Dresdens und eine Brandkatastrophe im Münchener Glaspalast vernichtet wurden.

Die Ausstellung „Dahl und Friedrich. Romantische Landschaften“ ist noch bis zum 17. Mai im Albertinum Dresden, Tzschirnerplatz 2, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 0351 / 49 1420 00 www.skd.museum