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Hausverbot, Festnahme, Prügel
Erfahrungsberichte: Wer über Zustände in Asylbewerberheimen berichten will, bekommt schnell Ärger
Ronald Gläser / Billy Six

Am Donnerstag vor zwei Wochen wurde Billy Six im Bayerischen Wald festgenommen und zweieinhalb Stunden lang verhört. Sein Vergehen: Er hatte über ein Asylantenheim in Freyung berichten wollen, mit dem die Gemeinde viel Geld verdient. Die ganze Geschichte dazu findet sich auf Seite 7.

Leider war dies kein Einzelfall. Immer wieder werden Journalisten in deutschen Asylbewerberheimen bei der Arbeit behindert. Von Polizisten und Wachleuten, von Bewohnern oder Asylaktivisten. Unsere Reporter Billy Six und Ronald Gläser schildern in kurzen, persönlichen Berichten, was sie bei ihrer Arbeit im Zusammenhang mit dem Asylzustrom erlebt haben. (JF)

Ronald Gläser

Es ist nicht immer leicht, in ein Asylbewerberheim zukommen. Viele sind bewacht. Aber mit einer guten Ausrede oder selbstbewußtem Auftreten konnte ich mir meistens Zutritt verschaffen. Die Probleme beginnen dann erst. Sobald ich Fragen stelle oder Fotos mache, werden die Bewohner und irgendwann auch der Wachschutz auf mich aufmerksam. So ging es mir 2012 in der Zentralen Anlaufstelle Hamburgs, wo ich nach einem Interview mit zwei Ägyptern von Uniformierten sehr barsch hinausgeworfen wurde. Und doch war der Ton dabei noch freundlicher als der von den drei Afrikanern in einer Kirche in St. Pauli. 2013 hatte ich das illegale Lager dort besucht und erst mit den linken Asylaktivisten verhandeln müssen. Dann hatte ich die drei fotografiert. Sie waren einverstanden und nahmen gern die 30 Euro Honorar.

Danach überlegten sie es sich anders und drohten mir Prügel an, wenn ich das Foto nicht lösche. Das Geld haben sie nicht zurückgegeben. Im Berliner Bezirk Marzahn wurde ich vor einem Heim gleich von einem Wachmann abgewiesen. Gleichzeitig stand ein Ü-Wagen vom RBB vor der Tür. Der Staatssender durfte hinein. Der RBB-Bericht war entsprechend positiv. Reines Bereicherungstralala. Die staatlichen Stellen wissen genau, welcher Art von Journalisten sie Zutritt gewähren und wem nicht. Diese Geheimniskrämerei macht mir Sorgen. Sie verhindert die Willkommenskultur, die die Politiker von den Bürgern einfordern. Davon abgesehen habe ich in Asylbewerberheimen viele anständige Leute kennengelernt: jenen christlichen Iraner etwa, der mit seiner Familie vor dem Mullahregime fliehen mußte, oder den Afghanen, der in seiner Heimat für die Bundeswehr gearbeitet hatte und nun um sein Leben fürchten muß.

Billy Six

Die Stadt Freyung in Bayern hat ein neues Asylbewerberheim für bis zu 450 Bewohner bekommen. Vor der Einfahrt tragen Familien ihre Einkaufstüten ins Heim, junge Männer rauchen gelangweilt. Ich folge ihnen in die große Eingangshalle.

Der Wachmann zunächst freundlich: „Kein Problem, wen wollen Sie denn treffen?“ Ich kenne niemanden. Das heißt Warten – auf Hauptamtsleiter Herbert Graf. Der sei für Journalisten zuständig und sehe jeden Tag nach dem Rechten. Als ich den Aushang begutachte, wird der Wachmann zornig. Er schiebt mich zum Ausgang und befiehlt mir, im Nieselregen zu warten. Angeblich eine Vorsichtsmaßnahme. Doch die Auseinandersetzung zwischen uns hat Stimmung aufkommen lassen – Dutzende Ausländer kommen angerannt, wollen zugucken. „Problem?“ fragen sie. Der Wachmann verspricht, daß Herr Graf bald da sei.

Der werde mir das Heim zeigen. Ich warte unter dem Vordach. Herbert Graf kommt nach einer Stunde. Er ist sauer. In einem Nebenraum kommt er, beschützt von zwei Wachleuten, zur Sache: „Ich will Ihnen jetzt nicht unterstellen, ein Rechtsradikaler zu sein“, schimpft er, „aber wir müssen auf alles gefaßt sein, wenn sich jemand unberechtigt Zutritt zur Einrichtung verschafft!“ Bereits einmal habe ein Rechtsradikaler das Asylheim betreten. Mehr Informationen dazu gibt es nicht. JF-Nachfragen bei Polizei, Bürgermeister und Innenministerium über Straftaten gegen das Objekt bleiben unbeantwortet. Stattdessen nehmen mich zwei Polizeibeamte in Gewahrsam. Die Stadt stellt Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs. Zweieinhalb Stunden Vernehmung folgen, vier Seiten Protokoll. Nun werden noch Fingerabdrücke und Profilfotos aufgenommen, doch ein Beamter bricht die Prozedur ab. „Ist gut“, sagt er und schüttelt mit dem Kopf. Ich solle gehen. Kein weiterer Kommentar.