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Der Flaneur
Gutgelaunte Afrikaner
Josef Gottfried

Interessant, daß die 18 um diese Zeit noch so voll ist. Lauter Pendler und ich drücken ihre Koffer in die Straßenbahn, die nach der Metropole führt. Dazu noch Studenten, die von ihren Sonntagsaktivitäten zurückkehren, ein Südländer erzählt einem anderen, warum er für sein Lehramtsstudium nicht dort, aber dafür hier zugelassen wurde.

Und noch ein paar Schwarze, darunter eine Gruppe von zwei Männern und zwei Frauen, alle so Mitte Vierzig: Träfe man sie in Afrika, dann gehörten sie sicher zur Mittelschicht ihres Landes. Sie sind gut gelaunt, eine trägt ein afrikanisches Kleid mit einer traditionellen Kopfbedeckung. Bei einem Empfang, wo Abendgarderobe gefordert wäre, wäre dieses Outfit sicher ebenso akzeptabel wie ein Janker.

Ich entziehe mich dem toleranten Schmunzeln, indem ich so tue, als ob ich es nicht bemerkte.

Sie lachen so laut, daß ich wegschaue, weil ich ja auch nicht in Wohnungen mit gardinenlosen Fenstern starren würde. Dabei vollzieht mein Körper eine Drehung, so daß ich mit meiner Tasche einen gepflegten Herrn anstoße. Schnell wende ich mich ihm zu, und wir entschuldigen uns gegenseitig beieinander. Nicht besonders überschwenglich angesichts der Nichtigkeit des Vorfalls, aber doch übertrieben, und in diesen zwei, drei angenehmen Sekunden sind wir uns einig darüber, daß wir sehr höfliche Menschen sind.

Die vier Schwarzen lachen wieder lauthals, was natürlich keinem der anderen Fahrgäste, die ihrerseits aus aller Herren Länder und Deutschland kommen, verborgen bleibt. Die freundliche Frau des höflichen Mannes versucht Blickkontakt mit mir aufzunehmen. Gerade hatte ich mich ja so gut mit ihm verstanden, darum soll ich mir jetzt auch noch mit ihr darüber einig sein, daß wir diese afrikanische Lebensfreude ganz herrlich finden. Ich entziehe mich dem toleranten Schmunzeln, indem ich so tue, als ob ich es nicht bemerkt hätte. Ich würde mich ja auch nicht über die hinter gardinenlosen Fenstern zur Schau gestellte Einrichtung unterhalten.