© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/15 / 15. Mai 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Grüne Selbstvergewisserung
Elena Hickman

Es war ein buntes Publikum, das sich am vergangenen Samstag im Bundestag zusammengefunden hatte. Die Grünen hatten zum Fachgespräch „Wer will die Uhr zurückdrehen? Strategien gegen Anti-Feminismus und Homophobie“ eingeladen.

Strategien wurden zwar keine entwickelt, dafür beglückwünschte der Sprecher der Fraktion für Innen- und Religionspolitik, Volker Beck, die anwesenden Aktivisten. Die aktuellen Angriffe in der Öffentlichkeit gegen die Teilnehmer seien ihren Erfolgen geschuldet. Gender Mainstreaming sei für alle Gegner so etwas „wie die neuen Protokolle der Weisen von Sodom und Gomorra“, versuchte Beck seine Sicht der Dinge zu erläutern; eine Weltverschwörungtheorie, die glaube, hier sei ein großes Umerziehungsprogramm ins Werk gesetzt, nur der Akteur sei noch nicht so genau gefunden.

Die Frage nach der Vernetzung der Gegner führte Beck recht schnell nach Rußland. „Wir sehen ganz im Hintergrund, vom Kreml her, Putin winken“, versicherte der Bundestagsabgeordnete. Dieser Meinung war auch der Journalist Peter Gerhardt, der im Vorfeld anti-emanzipatorische Netzwerke in Deutschland und Europa untersucht hatte. Rußland stehe sehr oft im Hintergrund, bekräftigte Gerhardt, gäbe argumentative und finanzielle Schützenhilfe. Obwohl er konkret nur Beispiele aus Frankreich und Osteuropa nennen konnte, sei Rußlands Unterstützung für deutsche gender-kritische Organisationen, wie das Netzwerk „Zivile Koalition“, nicht ganz von der Hand zu weisen.

Was genau die Strategie dieser konservativen Allianzen ist, wußte die jugendpolitische Sprecherin der Fraktion, Beate Walter-Rosenheimer. Begriffe würden mit Absicht vermischt, um daraus einen „rechtskonservativen Brei“ zu kochen. Gerade die Themen Familien- und Sexualpolitik seien sehr gefühlsbeladen und würden so vor allem bei Eltern Ängste wecken. Die Juristin Anna Katharina Mangold rief deshalb die Zuhörer dazu auf, Falschaussagen konsequent aufzuzeigen. „Wir müssen in die Kämpfe gehen“, forderte sie. Auch wenn es mühsam sei.

Und weil es ja doch so mühsam ist diese Kämpfe zu führen, durften sich als Belohung alle am Ende noch über Zitate von Gender-Kritikerin Birgit Kelle amüsieren – dem „Postergirl“ der Gegner, wie die Netzfeministin Anne Wizorek Kelle bezeichnete. Die Zitate wurden vom Chefredakteur des Magazins Männer, Kriss Rudolph, genüßlich vorgelesen und kommentiert. Kelles Zitat „Soll mein kleiner Kerl überlegen, ob er wohl schwul ist, weil er seinen Freund echt gern hat?“ bewertete er trocken: „Ich finde, überlegen hat noch niemandem geschadet.“ Im Gegenteil würde Nachdenken den Jungen zu einem offenen, empathischen Menschen machen. „Womit er sich dann deutlich von seiner Mutter unterscheiden dürfte“, schob Rudolph hinterher.

Es wurde nicht mehr geklärt, ob dieses „Amüsieren auf Kosten von Frau Kelle“ hilfreich war, um Strategien gegen ihre Kritik zu entwickeln. Aber die Zuhörer waren offenbar auch so zufrieden.