Die 138 Stunden Streik sind überstanden, der Bahnverkehr rollt wieder – doch die Fronten bleiben verhärtet. Die staatliche Deutsche Bahn AG (DB) will den Konflikt solange aussitzen, bis das Tarifeinheitsgesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in Kraft ist (JF 20/15). Die kämpferische Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will sich aber nicht in die billigen Tarifverträge der DGB-Gewerkschaft EVG zwingen lassen.

Und darf ein Gesetz überhaupt die grundgesetzlich geschützte Koalitionsfreiheit der GDL faktisch abschaffen? Das muß wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer sieht den Konflikt schon kommen: „Wenn keine Vernunft einkehrt, müssen Lokführer wieder verbeamtet werden. Wir dürfen unser Land nicht lahmlegen lassen“, erklärte der CSU-Vize in der Bild am Sonntag. Unbedingte Pflichterfüllung und Streikverzicht im Tausch für soziale Sicherheit und staatliche Fürsorge – das gab es mehr als ein Jahrhundert lang zu Länder-, Reichs- und Bundesbahnzeiten. Dazu würden auch heute noch nicht nur Lokführer liebend gern ja sagen. Doch die Bahnreform von 1994 kündigte diese Vereinbarung auf – mit den von Millionen Bahnkunden erlittenen Folgen.

Wie es auch ohne Bahnbeamte gehen kann, zeigen die 1999 in eine AG überführten Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Dort haben sich zwar im Zuge der formalen Privatisierung die Vorstandsgehälter vervielfacht. Doch auch die SBB-Lokführer werden weiterhin anständig bezahlt: umgerechnet zwischen 55.000 bis 111.000 Euro pro Jahr verdient ein SBB-Lokführer, es gibt bis zu sieben Wochen Jahresurlaub und zwei Jahre Lohnfortzahlung bei Krankheit. Das angestellte DB-Lokpersonal muß sich hingegen mit 27.000 bis 41.500 Euro plus Zulagen zufriedengeben. DB-Führungskräfte wie Ex-Kanzleramtsminister Ronald Pofalla können über die sechsstelligen SBB-Vorstandsbezüge allerdings nur müde lächeln.