© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Milan Horácek ist der erste Bündnisgrüne im Präsidium des Bundes der Vertriebenen
Der andere Grüne
Martin Schmidt

Seitdem der Siebenbürger Sachse Bernd Fabritius (CSU) Ende 2014 die Nachfolge von Erika Steinbach als Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV) angetreten hat, sind deutliche Bemühungen auszumachen, diesem Dachverband wie auch einzelnen Gliederungen ein neues Image zu verschaffen. Maßnahmen wie der von der Führung der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Februar verkündete Verzicht auf die Forderungen nach Wiederherstellung des Heimatrechts der Vertriebenen und deren rechtlicher und/oder moralischer Entschädigung (JF berichtete) zählen ebenso dazu wie Personalentscheidungen.

So gehört dem BdV-Präsidium mit Milan Horácek inzwischen erstmals auch ein Vertreter der Grünen an. Doch was heißt das? Verliert die offiziell immer noch über eine Million Mitglieder zählende Organisation nun auch noch den letzten Rest nonkonformen Profils? Wer ist Milan Horácek und wofür steht er?

Auf jeden Fall paßt dieser 1946 im nordmährischen Groß Ullersdorf im Bezirk Mährisch Schönberg als Sohn eines tschechischen Vaters und einer sudetendeutschen Mutter geborene Grünen-Politiker in keine politische Schublade. Schon in Jugendtagen war er immun gegen die Losungen der tschechoslowakischen Kommunisten, zumal sein Vater als Baptist in Opposition stand und er selbst sich als langhaariger Schlagzeuger in einer Beatgruppe verdächtig machte. Nach dem Prager Frühling floh Horácek nach Westdeutschland, betätigte sich als Politikstudent in Frankfurt gemeinsam mit seinem Freund Rudi Dutschke in der alternativen Szene und war 1979 an der Gründung der Grünen beteiligt. Das linke Milieu, in dem sich Horácek bewegte, war vielfältig und ließ auch Raum für leidenschaftliche Gegner des Kommunismus und Wiedervereinigungsbefürworter wie ihn.

Als im Dezember 1989 Hans-Dietrich Genscher und der Prager Außenminister Jirí Dienstbier bei Waidhaus die Drähte des Eisernen Vorhangs zerschnitten, war auch Horácek vor Ort. Er hat sich immer wieder für die deutschen Vertriebenen eingesetzt; sah er in ihrem Schicksal doch vor allem Menschenrechtsverletzungen.

1990 wirkte er als Berater für Prags Staatspräsident Václav Havel und begleitete ihn bei seinem ersten Deutschlandbesuch, während dessen Havel den Heimatverlust der Sudetendeutschen „bedauerte“. Wiederholt besuchte er den Sudetendeutschen Tag und nahm 2005 in Aussig an der Enthüllung der ersten tschechischen Gedenktafel für sudetendeutsche Gewaltopfer teil.

Milan Horáceks undogmatische Persönlichkeit könnte frischen Wind in den BdV tragen. Schon jetzt hat er seinen Platz in der kleinen Riege rot-grüner Dissidenten der Vertriebenenpolitik, wie Otto Schily oder Antje Vollmer, sicher.