© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Niemand will ein Spalter sein
Führungsstreit: In Straßburg versucht AfD-Chef Bernd Lucke den Eindruck zu zerstreuen, er plane eine neue Partei
Hinrich Rohbohm

Die zentrale Frage ist schnell geklärt. „Wir wollen keine Parteineugründung, wir wollen in der AfD bleiben.“ Nein, er rufe auch nicht zum Parteiaustritt auf, das sei eine Falschmeldung, stellte Bernd Lucke am Dienstag in der Europäischen Parlamentarischen Gesellschaft in Straßburg klar. Gemeinsam mit den Europaabgeordneten Bernd Kölmel, Joachim Starbatty und Hans-Olaf Henkel präsentierte er am Dienstag morgen den „Weckruf 2015“ (www.weckruf2015.de). Der neue Verein solle die AfD nicht spalten. „Wir wollen durch den Weckruf vielmehr gemäßigte Mitglieder in der Partei halten“, betont der 52jährige.

Petry zweifelt an Rechtmäßigkeit

Weit über 1.000 Mitglieder hätten bereits einen Aufnahmeantrag gestellt. Als Beweggrund für diesen Schritt nennt Lucke vor allem die Sorge um die künftige Ausrichtung der AfD. „Ich glaube, daß eine Partei nur Erfolg hat, wenn sie ein klares Profil hat. Dieses Profil sehe ich durch die Aktivitäten an den Rändern gefährdet.“ So würden rechtsradikale, aber auch amerikafeindliche, den Westen ablehnende Kräfte versuchen, die AfD für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Das stehe jedoch im krassen Gegensatz zu den Leitlinien der Partei, die sich darin klar zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie zu EU- und Nato-Mitgliedschaft bekenne.

Die Parteibasis solle sich durch den „Weckruf“ der Probleme der Partei bewußt werden. „Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß die große Mehrheit unserer Mitglieder diese Ausrichtung der AfD behalten will.“ Nur wenn sich solche Grundentscheidungen in der Partei ändern sollten, würden er und seine Mitstreiter sich Gedanken über ein Verlassen der AfD machen, unterstrich Lucke. Seine eigenen Ambitionen seien dabei nachrangig, es gehe um das Wohl der Partei. Auch zu einem klärenden Gespräch mit Frauke Petry sei er bereit. „Ich hoffe, daß es da in Kürze zu einem Gespräch kommt. Wir sind beide vernünftige Menschen, da sollte es möglich sein, sich zu einigen.“

Der „Weckruf“ sei erst jetzt erfolgt, weil die AfD zuvor mit den Wahlkämpfen in Hamburg und Bremen gebunden war. Nun habe man zehn Monate Zeit, parteiinterne Konflikte zu lösen.

Der kürzlich als stellvertretender AfD-Vorsitzender zurückgetretene Hans-Olaf Henkel betont: „Ich werde so lange in der Partei bleiben, wie ich mich mit Personen und Programm identifizieren kann. Das hier ist für mich die letzte Chance, die Partei zu retten.“ Gleichzeitig bemängelt der 75jährige den Umgangston in der Partei. „Was ich an innerparteilicher Kritik von rechtsaußen erleben mußte geht über alles, was ich je erlebt habe.“

Ob dem „Weckruf“ allerdings Erfolg beschieden ist, erscheint äußerst fraglich. Die Crux: Seinen parteiinternen Gegnern um Petry und den NRW-Landeschef Marcus Pretzell ist es offensichtlich gelungen, mehrheitlich ihre Anhänger als Delegierte zum entscheidenden Bundesparteitag Mitte Juni in Kassel durchzubringen. Daß die sich nun von einem „Weckruf“ beeindrucken lassen, gilt als unwahrscheinlich. Ein vom Lucke-Lager zuvor favorisierter Mitgliederparteitag war aus finanziellen Gründen nicht durchzusetzen. „Jetzt im nachhinein noch aus taktischen Gründen einen Mitgliederparteitag trotzdem noch durchzusetzen, weil es für meine Positionen vorteilhafter sein könnte, ist nicht meine Art“, sagt Lucke der JUNGEN FREIHEIT. Er bedaure die politischen Ränkespiele in der Partei, wolle sich aber nicht mit ähnlichen Mitteln daran beteiligen. Vielmehr wolle er sich nun dem Votum der Delegierten stellen. Beobachter gehen davon aus, daß Luckes Kontrahenten in Kassel über eine deutliche Mehrheit verfügen werden. Daß man in diesem Zusammenhang die massiven Aktivitäten der Lucke-Gegner bei der Delegiertenaufstellung in den Landesverbänden unterschätzt hat, wird inzwischen eingeräumt. Hinzu kommt, daß der von Bernd Lucke unterstützte Mitgliederentscheid über die programmatische Ausrichtung der AfD vom Parteischiedsgericht für unzulässig erklärt wurde.

In einer ersten Reaktion auf die „Weckruf“-Initiative äußerte Petry am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Dresden Zweifel, ob diese mit der AfD-Satzung vereinbar ist. Zugleich freue sie sich darüber, daß Lucke offenbar an „Einigungsgesprächen“ interessiert sei. Diese fordere sie bereits seit einem halben Jahr, sagte Petry.

Unterdessen hat der Führungsstreit in der AfD auf die Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) übergegriffen. Nachdem JA-Chef Philipp Meyer in der vergangenen Woche in einem Interview eindeutig Partei für Lucke ergriffen und zudem den thüringischen Landes- und Fraktionschef Björn Höcke kritisiert hatte, sprach sich der Bundeskonvent der JA am Sonntag in einer Telefonkonferenz nach Informationen der JF dafür aus, Meyer abzusetzen. Meyer wird vorgeworfen, mit seinen Äußerungen aktiv in den Streit der Mutterpartei eingegriffen zu haben. Dem Vernehmen nach soll eine Doppelspitze aus den JA-Vorsitzenden von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Sven Tritschler und Markus Frohnmaier, die Nachfolge antreten.

Foto: Starbatty, Lucke, Kölmel und Henkel (v. l.) in Straßburg: „Ich hoffe, daß es zu einem Gespräch kommt“