© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/15 / 22. Mai 2015

Millionenprogramm für „Demokratie“
Kampf gegen Rechts: Das Bundesprojekt „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und die Amadeu-Antonio-Stiftung agieren vor Ort gegen ungeliebte rechte Nachbarn
Christian Schreiber

Auf den ersten Blick verheißt das mit jährlich sechs Millionen Euro vom Bundesinnenministerium geförderte Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (ZdT) Gemeinschaftsgeist. Ziel sei es, in „ländlichen und strukturschwachen Gegenden eine selbstbewußte, lebendige und demokratische Gemeinwesenkultur“ zu fördern.

Mit den Folgen von Abwanderung und schrumpfenden Bevölkerungszahlen umzugehen, sei mittlerweile Aufgabenstellung für Akteure in ganz Deutschland geworden, heißt es. Vor allem für Vereine und Initiativen vor Ort bedeute dies, daß es immer weniger Freiwillige gebe, die ein Ehrenamt übernehmen, die sich engagieren und sich stark machen für andere. Wer organisiert die Kultur- oder Sportangebote, wer engagiert sich auf dem Land noch für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, wer hilft bei öffentlichen Veranstaltungen?

Rechtsextreme jedenfalls nicht. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung umgesetzte Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ ist vor allem ein „Präventionsprogramm gegen Rechtsextremismus“. Zu diesem Zweck bildet die Initiative „Demokratieberater“ aus, die in der Kommune mit Verbänden und Vereinen extremistischen und verfassungsfeindlichen Strömungen entgegenwirken sollen.

„Was wollen Sie gegen ein Mitglied der Feuerwehr machen, das bei jedem Einsatz mitmacht, keinem Dienst ausweicht, aber eben findet, daß man auf die Reinheit der deutschen Rasse achten soll?“ fragt ZdT-Leiterin Ute Seckendorf im Gespräch mit der Deutschen Welle und gibt gleich auch die Antwort: „Am besten ist es vielleicht, wenn in der Vereinssatzung drinsteht, daß man für Vielfalt und Toleranz eintritt, dann kommen Rechtsextremen erst gar nicht.“

Doch es geht nicht nur um die Bekämpfung des „Rechtsextremismus“ vor Ort. Mitte März veranstaltete „Zusammenhalt durch Teilhabe“ in enger Zusammenarbeit mit der „Aktion Zivilcourage e. V.“ ein Vernetzungstreffen zum Thema „Rechtspopulismus“. Dabei rief Aktion-Zivilcourage-Aktivist Bernd Stracke dazu auf, den Fokus zu verändern. Weg vom Rechtsextremismus hin zum Rechtspopulismus, der von den Kommunen und Vereinen als Problem noch gar nicht wahrgenommen werde. „Hier könne man nicht mehr mit einer Tabelle von Symbolen ankommen“, sondern müsse erst einmal „zuhören“, unterstrich Stracke. Ziel, so Ute Seckendorf, sei es, nun neue „Handlungsoptionen zu verabreden“.

Gerade die Bürger auf dem Land sollen aktiv werden

In ihrer Arbeit ist ZdT nicht nur mit zahlreichen Sport-, Feuerwehr- und Sozialverbänden vor allem in den östlichen Bundesländern vernetzt. Auch ein Modellprojekt namens „Region in Aktion – Kommunikation im ländlichen Raum“ der Amadeu-Antonio-Stiftung wurde unter deren Dach entwickelt und erprobt. Bürger „auf dem Lande“ sollen hier „neue Formen des Engagements wagen, Menschen Sicherheit in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus geben“ und „versuchen, diejenigen mit einzubeziehen, die sich sonst nicht engagieren“.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung verbreitet seit einiger Zeit zudem eine Broschüre mit dem Titel „Völkische SiedlerInnen im ländlichen Raum“. Darin enthalten ist eine Karte, die braune Flecken zeigt, Schandflecke sozusagen.

Rund 25 rechte Siedlungsprojekte will die ultralinke Organisation ausgemacht haben, und sie warnt vor Parallelgesellschaften, vor „Frauen in Röcken und Männern in Trachten“. Rechtsextreme versuchten seit Jahren, den ländlichen Raum mit der vermeintlich „intakten Volksgemeinschaft“ gegen die städtische „Multikulti“-Globalisierung als Alternative in Stellung zu bringen und untermauerten dies durch strategische „Raumgreifungsversuche“ und Immobilienkäufe.

Vor allem den Norden und den Osten der Bundesrepublik hat die Stiftung als Quell der völkischen Siedlungsoffensive ausgemacht: „Ihr Ziel ist die Etablierung einer völkischen Gemeinschaft und der Aufbau eines autarken, nationalen Wirtschaftsnetzwerks.“

Es gehört dabei zum Selbstverständnis linker Organisationen, darauf hinzuweisen, daß der Staat „auf dem rechten Auge“ blind sei. Und so darf auch diesmal der Hinweis nicht fehlen, daß den Behörden diese Zusammenhänge noch gar nicht bekannt seien. Dabei hatte die SPD-Bundestagsfraktion bereits vor rund eineinhalb Jahren eine Anfrage an die damals noch regierende schwarz-gelbe Koalition gestellt, ob ihr eine „Landnahme“ von Rechtsextremisten bekannt sei.

Die Bundesregierung wies damals darauf hin, daß Rechtsextremismus nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden eher ein Phänomen in den ländlichen Regionen als in Großstädten und Ballungsgebieten sei: „Schwerpunkte von Rechtsextremisten in ländlichen Gebieten liegen vor allem in Ost-Deutschland, aber auch in einigen wenigen Regionen der westlichen Bundesländer mit ähnlichen gesellschaftlichen und strukturellen Prägungen.“

Die Amadeu-Antonio-Stiftung will es allerdings dabei nicht bewenden lassen. Mittels einer breit angelegten Medienkampagne hat sie den Begriff vom „Nazi als Nachbarn“ geprägt: „Extrem Rechte mit völkischer Ausrichtung siedeln sich in wenig bewohnten Gebieten an, um fernab größerer Städte ungestört nach ihrer menschenfeindlichen Weltanschauung zu leben. Besonders alarmierend: Diese Rückzugsorte bieten ihnen die Chance, ihre Kinder mit weniger Einflüssen von außen zu erziehen. Teilweise lebt so bereits die dritte Generation völkischer Siedler auf den abgelegenen Höfen.“

Geld für ihre Kampagne erhält die Stiftung übrigens auch vom Staat. Die Broschüre über die „Völkischen Siedler“ kam mit Unterstützung des Innenministeriums zustande, welches aber einräumen mußte, daß es lediglich in acht von 16 Bundesländern Auffälligkeiten gegeben habe. Doch die Amadeu-Antonio-Stiftung sieht dies getreu dem Motto „Wehret den Anfängen“ anders: „Sie entscheiden sich für ein Leben auf dem Land, um jenseits größerer Städte eine unabhängige, rückwärtsgewandte Lebensweise zu führen. In dünnbesiedelten Gebieten können sie ungestörter ihrer menschenfeindlichen Weltanschauung folgen.“

Was die vermeintlichen Rechtsextremisten auf eigener „Scholle“ dabei Verbotenes anstellen, darüber kann allerdings auch die Broschüre keine Auskunft geben. Als Anhaltspunkte könnten lediglich Versuche gelten, bei der Produktion von Bio-Produkten aktiv zu werden und ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Ein Leben auf dem Land und eine ökologische Produktionsweise sind allerdings noch lange kein Hinweis auf völkisches Siedeln. Aber die völkischen Siedler treffen in ihrer Umgebung auf viel Zustimmung, weil sich ökologisch nachhaltige Konzepte in der Gesellschaft zunehmend durchsetzen, während ein „kritisches Bewußtsein für problematische Überschneidungen zu rechten Naturschützern häufig fehlt“, heißt es.

Warnungen vor

„völkischer Landnahme“

Überhaupt suggeriert die Stiftung, daß die „Neonazis“ auf dem Land als Wölfe im Schafspelz daherkämen. Sie seien kulturell und sozial oft stark engagiert und würden bei Volksfesten „als nette Nachbarn“ in Erscheinung treten: „Die völkischen Siedlungsprojekte sind kein Kurzzeitphänomen, sondern auf eine langfristige Beeinflussung der Alltagskultur ausgerichtet“, heißt es. Allerdings müssen die Autoren an einer Stelle zugegeben, daß die „nationale Landnahme“ noch nicht sonderlich weit fortgeschritten ist. „Sie sind bisher wenig aufgefallen, und es gibt keine offiziellen Statistiken über sie“, heißt es an einer Stelle, aber es wird direkt hinterhergeschoben, „daß sich die Anrufe von besorgten Bürgern häufen“. Daß es sich bei den „besorgten Bürgern“ wohl mehrheitlich um militante Antifaschisten handelt, wird allerdings verschwiegen.

So hat beispielsweise im Wendland, unweit der Lüneburger Heide, eine antifaschistische Gruppe dafür gesorgt, daß ein junges Paar, welches man der rechten Szene zuordnete, wieder wegziehen mußte. „Manche lehnen das Urbane ab und suchen die Ruhe, um dort unerkannt politisch zu agieren. Hinzu kommt, daß ihnen in der Stadt zu viele Menschen anderer Herkunft leben“, erklärte ein Sprecher der Antifaschistischen Aktion Lüneburg gegenüber der Welt. Wie der Widerstand gegen die ungeliebten Nachbarn ausgesehen hat, verrät er auch. „Wir haben dafür gesorgt, daß sie nicht Fuß fassen können. Haben Arbeitgeber und andere über ihre Gesinnung informiert.“

Die Grenzen zwischen dem Protest besorgter Anwohner, die in ihrem beschaulichen Ort keine politische Agitation wollen und den Aktivitäten militanter linker Gruppen sind dabei fließend. Auf linksextremen Internetseiten werden Outings von „Nazis“ regelmäßig gefeiert. Dabei werden nicht selten Adressen, Telefonnummern und Autokennzeichen mißliebiger Personen veröffentlicht, und dabei trifft es nicht nur Personen, die eindeutig dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen sind.

„Wir wollen Nazis natürlich schaden, so gut es geht. Sie sollen Ärger mit ihrer Nachbarschaft bekommen und am Arbeitsplatz. Wir wollen ein Klima schaffen, in dem sich Nazis nicht wohlfühlen“, erzählte ein Angehöriger einer Freiburger Antifa-Gruppe der linksalternativen Tageszeitung.

Mittlerweile gibt es mehrere Initiativen samt Internetseiten, die sich mit dem Thema „Was tun, wenn der Nachbar Nazi ist?“ auseinandersetzen. Federführend hierbei ist das „Netz gegen Nazis“, an dem neben der Amadeu-Antonio-Stiftung auch die Wochenzeitung Die Zeit beteiligt ist. Auf ihrer Internetseite äußern sich auch Vertreter einer Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, wie man bei einem Verdacht auf einen „Nazi“-Nachbarn agieren sollte: „Erstes Anliegen sollte es sein, im Haus auf ein Klima des Hinsehens und Eingreifens hinzuwirken. Dazu gehört es zunächst einmal, alle Anwohner über die rechtsextreme Einstellung des neuen Mieters zu informieren. Vielleicht haben einige noch gar nicht realisiert, wer gerade neben ihnen eingezogen ist.“

www.zusammenhalt-durch-teilhabe.de

www.aktion-zivilcourage.de

www.laendlicher-raum.info

www.amadeu-antonio-stiftung.de




Amadeu-Antonio-Stiftung: „Verdachts-punkte völkischer Siedlungsprojekte“

Seit einiger Zeit verbreitet die Amadeu-Antonio-Stiftung eine Broschüre mit dem Titel „Völkische SiedlerInnen im ländlichen Raum.“ Darin enthalten ist eine Karte, die braune Flecken zeigt, Schandflecke sozusagen. Rund 25 rechte Siedlungsprojekte will die ultralinke Organisation ausgemacht haben und sie warnt vor Parallelgesellschaften, vor „Frauen in Röcken und Männern in Trachten“.