© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Schlagabtausch im Bundesvorstand
AfD: Während der Streit um den „Weckruf 2015“ weiter tobt, sucht die Partei bereits nach Alternativen zu Bernd Lucke und Frauke Petry
Marcus Schmidt

In der AfD geht es derzeit hin und her. Am vergangenen Freitag mußte Parteichef Bernd Lucke im Bundesvorstand eine empfindliche Niederlage einstecken. Das Gremium, in dem er bislang immer eine Mehrheit organisieren konnte, mißbilligte mehrheitlich die von ihm initiierte Gründung des Vereins „Weckruf 2015“ (JF 22/15).

Am Montag dann schlug das Pendel zurück. In einem weiteren Beschluß zum „Weckruf“ stellte der Bundesvorstand fest, es gebe keine Bedenken gegen eine gleichzeitige Mitgliedschaft im „Weckruf“ und in der AfD. „Insbesondere können Mitglieder der AfD nicht ausgeschlossen werden, weil sie Vereinsmitglieder sind, und die Vereinsmitgliedschaft ist kein Hinderungsgrund für eine Aufnahme in die AfD“, erläuterte Pressesprecher Christian Lüth. Dies richtete sich explizit gegen Bestrebungen der Landesverbände Sachsen und Thüringen, AfD-Mitglieder, die dem „Weckruf“ beigetreten sind, aus der Partei auszuschließen. Solche Beschlüsse von Landesvorständen seien unwirksam, teilte Lüth mit. Damit steht es, zumindest was die Vorstandsbeschlüsse anbelangt, im Streit um den „Weckruf“ ein zu eins zwischen Lucke und seiner schärfsten parteiinternen Konkurrentin Frauke Petry.

Am Wochenende waren in Würzburg die Vertreter von 13 Landesverbänden der AfD zusammengekommen, um einen Ausweg aus der Dauerkrise zu suchen. Am Ende der gut vierstündigen informellen Beratungen stand ein verblüffender Vorschlag:  Um die festgefahrene Situation an der Parteispitze zu entschärfen, sollten sowohl Lucke als auch seine Co-Vorsitzende Petry darauf verzichten, auf dem Parteitag Mitte Juni in Kassel erneut für den Vorstand zu kandidieren. Beide hatten zuvor erklärt, sie könnten sich eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr vorstellen.

Parteitag könnte aus formalen Gründen scheitern

Der bayerische AfD-Chef André Wächter legte Wert auf die Feststellung, daß die Teilnehmer des Treffens keinen Beschluß gefaßt haben, sondern „mit überwältigender Mehrheit“ ein Meinungsbild erstellt hätten. Gleichwohl ist es ungewiß, ob der unkonventionelle Vorschlag Aussicht auf Erfolg haben wird. Wächter gab sich zurückhaltend: „Ob die Empfehlung der Landesvorstände eine Eigendynamik entwickelt und von den Delegierten aufgenommen wird oder ins Leere läuft, steht noch in den Sternen. Entscheidend wird auch sein, wie sich Bernd Lucke und Frauke Petry äußern werden“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Während Lucke sich in einer ersten Reaktion offen für den Vorschlag zeigte, reagierte Petry ablehnend.

Wächter wollte sich nicht an Spekulationen über alternative Namen für die AfD-Spitze beteiligen. Doch in der Partei wird neben anderen immer häufiger der Name Jörg Meuthen genannt. Der 54 Jahre alte stellvertretende Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, der Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl unterrichtet, wird dem wirtschaftsliberalen Flügel zugerechnet. Meuthen gilt in seinem Landesverband als eine Integrationsfigur. Spätestens mit einem in der vergangenen Woche veröffentlichten Brief an Hans-Olaf Henkel, in dem Meuthen diesen aufforderte, aus der AfD auszutreten, hat er auch bei vielen Nationalkonservativen einen Stein im Brett. Zumindest eine mögliche Kandidatur Meuthens für den Bundesvorstand gilt daher als aussichtsreich.

Unterdessen wächst in der Partei die Sorge, daß der Parteitag schon aus rein formalen Gründen zu einem Fisako werden könnte. In der Kritik steht vor allem die Wahl der Delegierten in Nordrhein-Westfalen und Hessen.