© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Mehr als ein Kummerkasten
Marcus Schmidt

Hans-Peter Bartels möchte nicht nur Kummerkasten sein. Bei seinem ersten Auftritt nach seiner Vereidigung als Wehrbeauftragter des Bundestages machte der SPD-Politiker deutlich, daß er sich in seinem neuen Amt nicht nur um marode Kasernen, schikanierte Untergebene und mangelhafte Kinderbetreuung bei der Bundeswehr kümmern will. Neben seiner Rolle als „Anwalt der Soldaten“, kündigte Bartels in der vergangenen Woche vor der Bundespressekonferenz forsch an, werde er auch verteidigungspolitische Anregungen geben.

An der fachlichen Kompetenz des 54 Jahre alten langjährigen Bundestagsabgeordneten besteht dabei, anders als bei manch einem seiner Vorgänger, kein Zweifel. Noch am Tag vor seiner Amtseinführung am Donnerstag vergangener Woche hatte der gebürtige Düsseldorfer als Vorsitzender die Sitzung des Verteidigungsausschusses eröffnet. Dem im Grundgesetz verankerten Gremium gehörte Bartels 15 Jahre an. Dennoch sei ihm der Abschied nicht schwer gefallen. „Es ist attraktiv, die andere Seite kennenzulernen“, sagte er und meinte damit, daß sowohl der Verteidigungsausschuß als auch der Wehrbeauftragte der Kontrolle der Bundeswehr durch das Parlament dienen.

Bartels weiß daher aus erster Hand um den Zustand der Armee, weiß, was gut läuft – und was nicht. Und so überrascht es nicht, daß der neue Wehrbeauftragte nach den Diskussionen der vergangenen Wochen den Zustand der Bundeswehr, die „Vollausstattung“ der Armee, zu seinem Kernthema machen will. „Die Soldaten brauchen nicht 70 Prozent ihrer Soll-Ausstattung, sondern tatsächlich hundert Prozent“, forderte Bartels. Verantwortlich für das fehlende Material ist das aus Spargründen eingeführte sogenannte „Dynamische Verfügbarkeitsmanagement“, mit dem die knappe Ausstattung – vom Panzer bis zu Nachtsichtgeräten – je nach Bedarf zwischen den Einheiten hin- und hergeschoben wird.

Zwar ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unter dem Eindruck der Ukraine-Krise Anfang des Jahres bereits von dem als „Mangelverwaltung“ kritisierten Konzept abgerückt. So wird etwa die Zahl der Leopard 2 Panzer von 225 auf 328 Exemplare aufgestockt. Doch Bartels ist Politiker genug um zu wissen, daß er an dem Thema dranbleiben muß, wenn tatsächlich eine umfassende Vollausstattung erreicht werden soll. „Nicht überall sind 70 Prozent des Materials vorhanden, teilweise sind es nur 20 Prozent. Bei Nachtsichtgeräten sogar noch weniger“, verdeutlichte er. 

Die Verteidigungsministerin, zu der Bartels nach eigenen Angaben ein „angenehmes Verhältnis“ hat, kann sich also auf einen sehr politischen Wehrbeauftragten einstellen, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg halten wird. Wenn es mit Ursula von der Leyen etwas zu streiten gebe, sagte Bartels, werde er das nicht unter den Teppich kehren. Es sei wichtig, daß Probleme innerhalb des Ministeriums nicht mehr „weggedrückt“, sondern gelöst würden. Hans-Peter Bartels will seinen Teil dazu beitragen.