© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Es begann mit einer treibenden Jacke
Hilfsorganisation MOAS: Ein Ehepaar sucht im Mittelmeer nach Schiffen in Seenot
Elena Hickman

Regungslos beobachtet ein Polizist im Hafen von Messina, wie Flüchtlinge langsam von Bord der „Phoenix“ gehen, dem Schiff der Migrant Offshore Aid Station (MOAS). Der Anblick ist nichts ungewöhnliches. Die Such- und Rettungsmission ist die erste private Stiftung, um Bootsflüchtlingen im Mittelmeer zu helfen, und bringt regelmäßig ihre Ungewöhnliche Fracht an Land – am 9. Mai 104 Flüchtlinge, vier Tage später weitere 188, am 14. dann 561. Seit Start der zweiten Mission im Mai konnte MOAS bereits 1.441 Migranten in zwölf Tagen retten.

 Alles begann mit einer Winterjacke, die einsam auf dem Meer trieb. Christopher und Regina Catrambone waren 2013 auf einer Urlaubsreise, als sie die Jacke im Wasser entdeckten. Sie fragten ihren Kapitän, wem die Jacke wohl gehöre. Die Antwort, jemand, der es nicht geschafft habe, berührte das Ehepaar so tief, daß sie MOAS gründeten. Regina sagte der italienischen Tageszeitung La Repubblica: „Anstatt uns ein Haus zu kaufen, haben wir ein Schiff gekauft. Ein Kauf, der sich ausgezahlt hat.“ Das Ehepaar Catrambone unterstreicht, das Projekt 2014 mit etwa acht Millionen Euro komplett privat finanziert zu haben. Der zweite Einsatz konnte durch Crowdfunding und Spenden getragen werden. Mehr als die Hälfte des Geldes kam dabei aus Deutschland.

 Das 40 Meter lange ehemalige Forschungsschiff wurde für die Seenotrettungsmission komplett umgebaut. An Bord befinden sich zwei Drohnen und zwei Hartrumpf-Schlauchboote. Die „Phoenix“ beherbergt eine 20köpfige Crew, bestehend aus Sicherheitsexperten, Medizinern und erfahrenen Seeleuten.

Italienische Marine würdigt Engagement der Eheleute 

Die Flüchtlinge kommen hauptsächlich aus Eritrea, Somalia und in letzter Zeit auch aus Syrien. Hauptsächlich libysche Schmuggler setzen die illegalen Migranten mit wenig Ausrüstung in schlechte Boote und hoffen, daß diese von Behörden gerettet werden, bevor sie verdursten oder ertrinken. Der 23 Jahre alte Mohammed erzählte nach seiner Rettung: „Die Schmuggler zeigen in eine Richtung und sagen uns, dahin weiterzufahren.“ Mohammed war einer der 561 Geretteten eines alten Holzboots – von dem die Reling abfiel, nachdem Mitarbeiter von MOAS alle Flüchtlinge auf ihr Schiff gebracht hatten. Auf dem Boot befanden sich auch 60 Kinder.

 MOAS sucht nach solchen Schiffen in Seenot. Dafür lenken sie ihre Drohnen auch in den libyschen Luftraum hinein. Entdecken sie eins, wird zuerst die zuständige Seenotrettungsstelle informiert und Bildmaterial der Drohnen zur Verfügung gestellt. MOAS rettet, nach eigenen Angaben, die Migranten dann nach Absprache mit den Behörden – oder sofern es eine Notsituation erforderlich macht.

Wenn die Boote allerdings sicher im Wasser treiben, bleibt MOAS in der Nähe und wartet, bis ein Schiff der italienischen Marine die Asylsuchenden aufgenommen hat. MOAS betont, Ziel sei es Leben zu retten, nicht Flüchtlinge von einem Ort zum anderen zu bringen. Kritischen Stimmen begegnet Christopher Catrambone mit Hinweisen zu seiner praktischen Erfahrung: „Ich fordere jeden heraus, ein nach Hilfe schreiendes Kind im Wasser zu sehen und über die politischen Vor- und Nachteile seiner Rettung zu diskutieren.“ 

Lob kam unterdessen aus dem Vatikan und vor kurzem von der italienischen Marine, die Christopher Catrambone für sein Projekt auszeichnete.

Das Projekt kooperiert eng mit der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). Obwohl sie ein eigenes Schiff, die „Bourbon Argos“, im Mittelmeer unterhalten, beteiligen sie sich mit 1,4 Millionen Euro auch an den Kosten der „Phoenix“. Zusätzlich stellen sie die medizinische Ausrüstung bereit.

Sobald die Migranten an Bord der „Phoenix“ gehen, erhalten sie Nahrung, Decken und medizinische Versorgung. Um letzteres kümmern sich zwei Ärzte und eine Krankenschwester von MSF, die für lebensrettende Nothilfe ausgestattet sind. Der MOAS-Geschäftsführer und ehemalige Verteidigungsminister von Malta, Martin Xuereb, freut sich über die Zusammenarbeit: „Nachdem wir dieses Projekt vergangenes Jahr gestartet hatten, haben wir 3.000 Menschen in 60 Tagen gerettet. Wir hoffen, dieses Jahr gemeinsam mit Ärzte ohne Grenzen noch mehr tun zu können.“

Foto: Per Drohneneinsatz gefundenes Boot mit Migranten aus Eritrea vor der libyschen Küste: Die Schmuggler zeigen lediglich in eine Richtung, dann geht‘s los / MOAS-Gründer Regina und Christopher Catrambone (r.)