© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

„Politiker sind verachtungswürdige Individuen“
Konferenz des Mises-Instituts: Referenten aus Deutschland und der Schweiz debattierten über „Die Ethik der Freiheit”
Felix Lehmann

Was ist das Ethische an der Freiheit? Brauchen wir überhaupt Gesetze? Kann auch ein „Kapitalist“ ein guter Christ sein? Diesen Fragen stellten sich namhafte Referenten aus Deutschland und der Schweiz vor rund hundert Teilnehmern auf der dritten Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland unter dem Thema „Die Ethik der Freiheit“. Das Institut wurde 2012 in München gegründet. Es will die politischen Ideen des Ökonomen und liberalen Theoretikers Ludwig von Mises bekannt machen, eines der wichtigsten Vertreter der „österreichischen Schule“ der Nationalökonomie.

Repräsentative Demokratie nicht wirklich demokratisch

Ist Gesetzlosigkeit ein Segen für die Gesellschaft? Der Wirtschaftsanwalt David Dürr beschäftigte sich mit der „Ethik der Gesetzlosigkeit“. Der Professor von der Universität Zürich beantwortet die Frage, wie eine Gesellschaft organisiert werden kann, ohne daß der Staat Herrschaft ausübt. Sein Ideal ist die anarchistische Ordnung. Damit ist nicht etwa eine Ordnung ohne Regeln, sondern eine Ordnung ohne Herrschaft und Zwang gemeint.

Ist ein solcher Ordnungsrahmen realistisch? Braucht es nicht etwa Organisationen wie staatliche Gerichte und Polizei, die „guten Zwang“ ausüben, zum Wohle aller? Ist der „demokratische Rechtsstaat“ nicht etwa demokratisch? Für Dürr hat der Staat ein Demokratiedefizit, wenn dessen Bürger nicht unmittelbar an der Gesetzgebung beteiligt werden. Eine repräsentative Demokratie, in welcher der Bürger seine Stimme lediglich an Volksvertreter delegiert, ist für Dürr keine Demokratie. Somit entlarvt er das Prinzip der demokratischen Repräsentanz als eine Lüge. Denn der typische Volksvertreter ist nicht weisungsgebunden, er kann nicht abberufen werden und muß – umgerechnet auf die Schweiz – die Interessen von 112.000 Menschen vertreten.

Grundproblem der Demokratie sei die Tatsache, daß der Staat nach Gesetzen handelt, die er selbst geschaffen hat. So werde er zu einer „gewaltbereiten, organisierten Gang“. Als Lösung skizzierte der Schweizer Jurist eine reine Privatrechtsgesellschaft, in der die Menschen unabhängig von staatlich gelenkter Organisationen ihr Zusammenleben selbst ausgestalten.

Wie kann das funktionieren? Konflikte könnten durch konkurrierende Schiedsgerichte geschlichtet werden, die nach eigenem Kodex arbeiten, Einzelschiedsrichter entscheiden nach öffentlicher Gewohnheit, oder der Freund schlichtet nach Maßgabe des gesunden Menschenverstandes. „Die anarchistische Ordnung ist nicht das Paradies, aber auch nicht die Lüge des demokratischen Rechtsstaates“, resümierte Dürr.

Noch grundsätzlichere Kritik am gegenwärtigen System der Demokratie kam von Hans-Hermann Hoppe. Der VWL-Professor und Gründer der libertären Property and Freedom Society sieht das Kernproblem der Gesellschaft im Rechtsmonopol des Staates: „Der Staat formuliert Gesetze so, daß er Dinge wegnehmen darf und dies rechtens ist.“

 „Sozialismus gibt bloß einen Vorgeschmack auf die Hölle“

Werden Produkte bei Wirtschaftsmonopolisten zwangsläufig immer teurer und auf Dauer immer schlechter, so gelte dies auch für das Gesetzesmonopol des Staates: Gesetze würden immer komplizierter und die Durchführung derselben immer aufwendiger. Doch das staatliche Monopol der Gesetzgebung aufzubrechen ist für Hoppe nicht die Lösung. Dies führe nur dazu, daß jedermann die Möglichkeit bekäme, auch die verrücktesten gesetzgeberischen Ideen durchzusetzen. Denn für ihn steht fest: „Gesetze werden nicht gemacht, sie werden gefunden“. Auch im demokratischen Wettbewerb der Parteien sieht er keine Lösung, denn gewählt werde „immer nur der bessere Demagoge“. Doch auch den von Liberalen geforderten „Minimalstaat“ lehnt er entschieden ab: „Das ist die völlig irrige Vorstellung, zu glauben, man müsse dem Monopolisten nur gut zureden“. In die Arbeit von Politikern hat Hoppe übrigens überhaupt kein Vertrauen. Diese seien „verachtungswürdige Individuen“.

Völlig ungewohnte Zusammenhänge zwischen der katholischen Soziallehre und dem Kapitalismus machte Martin Rhonheimer sichtbar, hat er doch mit der Vorstellung gebrochen, der christliche Weg sei der Weg des Antikapitalismus. Für den Professor der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom ist es der Sozialismus, der den Menschen Dinge nimmt, der Kapitalismus hingegen sei eine „Wirtschaftsform des Gebens“. Um dies zu erläutern, greift der Theologe auf einfache Maximen der Marktwirtschaft zurück: Privater Reichtum werde zum Kapital für Investitionen, welche zu einem Anstieg der Produktivität und somit des Wohlstandes aller führten. Allein die wirtschaftliche Tätigkeit habe eine moralische Komponente, da sie Menschen zur Kooperation zwinge. Marktwirtschaft und Wettbewerb setzten Tugenden voraus, ohne die auch die christliche Ethik nicht denkbar wäre, wie zum Beispiel Mäßigung, Vertrauen, Ehrlichkeit.

Rhonheimer ist unter seinen Kollegen nicht unumstritten. Nicht jeder in der katholischen Kirche hört gerne so viel von freier Marktwirtschaft.