© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/15 / 29. Mai 2015

Frisch gepresst

Lusitania. Unter marinehistorischen Aspekten ist die im Mai 1915 erfolgte Torpedierung des mit „Konterbande“ für die britische Armee beladenen Luxusliners „Lusitania“ (JF 19/15) für den Potsdamer Literaturwissenschaftler Willi Jasper eher uninteressant. Darum nimmt er weder die Forschung zum Seekrieg noch die angelsächsische Literatur zur Versenkung dieses Cunard-Dampfers zur Kenntnis. Ein Schuldanteil der britischen Admiralität ist für Jasper deshalb nichts als „Verschwörungstheorie“. So ist die Bahn frei, um nicht etwa die britische „Hungerblockade“, sondern diesen „Massenmord an Zivilisten“ zum Symbol für die „Entgrenzung des Krieges“ zu machen, mit dem Deutschland seinen Aufstand gegen die „westliche Zivilisation“ begonnen habe. Im Fahrwasser von Fritz Fischer und Heinrich August Winkler gelangt der zeithistorisch dilettierende Potsdamer Spezialist für den „deutsch-jüdischen Parnaß“ daher zu den üblichen „Kontinuitäts“-Montagen, in denen schließlich die „Lusitania“ ausgerechnet die derzeitige Bundesregierung mahnen soll, nicht müde zu werden bei der „Europäisierung Deutschlands“. (wm)

Willi Jasper: Lusitania. Kulturgeschichte einer Katastrophe. Bebra Verlag, Berlin 2015, gebunden, 208 Seiten, Abbildungen, 19,95 Euro





Westpreußen. Das seit 1951 erscheinende Westpreußen-Jahrbuch legt in seiner 65. Ausgabe einen klaren städtischen Schwerpunkt mit Studien zur Kulturgeschichte von Elbing, Marienburg und Danzig. Zeithistorisch interessant ist Stefan Samerskis Beitrag, der sich der Erinnerungspolitik des Senats der „Freien Stadt“ widmet. Der machte eine denkbar unglückliche Figur, denn die Suche nach  „Nationalfeiertag“ und „Nationalhymne“ für den Zwergstaat endete mit Karikaturen dieser kulturellen Identitäts-elemente, die von den Danzigern natürlich nicht akzeptiert wurden. Als einziger Aufsatz, der die Geschichte der Provinz als Ganzes betrachtet, behandelt Peter Letkemann Westpreußen als Aufnahmeland für die benachbarten Ostpreußen, die sich seit August 1914 zu Zehntausenden auf der Flucht vor den russischen Invasionsarmeen befanden. Gestützt auf seit hundert Jahren unbeachtete Akten, gelingt es dem Verfasser, Licht in diese im Rahmen des Weltringens freilich nur Fußnotenrang beanspruchende Episode westpreußischer „Kriegsgeschichte“ zu bringen. (dg)

Hans-Jürgen Kämpfert (Hrsg.): Westpreußen-Jahrbuch. Aus dem Land an der unteren Weichsel, Band 65, Westpreußen-Verlag, Münster 2015, 146 Seiten, Abbildungen, 16,50 Euro