© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Widerstand mit Verfallsdatum
Nach Referendum in Irland: In der Debatte um die Einführung der Homo-Ehe in Deutschland spielt die Union auf Zeit
Christian Schreiber

Die Entscheidung der Iren für die sogenannte Homo-Ehe setzt die Union in Deutschland zunehmend unter Druck. „Man sollte denken, was die katholischen Iren können, können wir auch“, sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn in der Debatte um die Einführung der „Ehe für alle“. Die Forderung, die Homo-Ehe auch in Deutschland einzuführen, gilt in der Union als „hoch politisch“. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht und dem Atomausstieg warnen Kritiker, daß die Partei erneut Restbestände des konservativen Tafelsilbers verscherbeln könnte. 

In der Tat hat die aktuelle Diskussion vor allem symbolischen Charakter. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei Urteilen aus den Jahren 2002 und 2011 sowohl das Gesetz über Eingetragene Lebenspartnerschaften für grundgesetzkonform erklärt, als auch entschieden, daß das Ehegattensplitting auch gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zusteht. Gestritten wird derzeit vor allem noch darum, ob der grundgesetzlich verankerte Schutz der Ehe auch für homosexuelle Paare gilt. Außerdem geht es um ein generelles Adoptionsrecht. Innerhalb der CDU erklären Funktionäre seit Jahren, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe das Thema auf die lange Bank geschoben, um den Verfassungsrichtern die Arbeit zu überlassen. Sollte Karlsruhe eine entsprechende Entscheidung fällen, hätte die Partei wenig Probleme, die rechtliche Umsetzung der Basis zu vermitteln.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, formuliert seine Ansichten daher auch betont vorsichtig. „Eine Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare durch ein einfaches Gesetz, so wie sie jetzt in der Diskussion gefordert wird, ist auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts höchst problematisch“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kauder hat eine schwierige Aufgabe, er muß die Interessen von CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU bündeln. Im Freistaat sind die Vorbehalte gegen eine Gleichstellung gerade in ländlichen Gebieten nach wie vor groß. 

Andererseits drängen vor allem jüngere Politiker auf eine Modernisierung der CDU. Sie argumentieren, daß die Zustimmung in der Bevölkerung für die Homo-Ehe gewachsen sei, und verweisen auf Erhebungen von Meinungsforschungsinstituten. Drei von vier Bürgern würden laut Forsa die völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der traditionellen Ehe begrüßen. Demnach treten selbst etwa zwei Drittel der Unionswähler (64 Prozent) für eine völlige Gleichstellung ein. 

Die Bevölkerung sei in der Frage einer Gleichstellung homosexueller Paare „weiter als mancher in der Partei“, konstatierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann im Deutschlandfunk. Der 45jährige gilt den Befürwortern als Vorbild in der Partei. 

Blick auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg

Der offen homosexuell lebende Politiker hat es zweimal geschafft, den als schwierig geltenden Wahlkreis Stuttgart I gegen den Grünen-Chef Cem Özdemir zu gewinnen. Kaufmann ist eine Nachwuchshoffnung der Union in Baden-Württemberg und soll im anstehenden Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Doch es ist vor allem die Situation im Südwesten, die den Strategen im Adenauer-Haus Sorgen bereitet. 

Im Frühjahr 2016 wird dort gewählt, die CDU möchte nach vier Jahren Opposition gerne wieder regieren. Doch in Baden-Württemberg waren die Proteste konservativer Gruppen gegen den Bildungsplan zur „sexuellen Vielfalt“ besonders groß. Auch wenn das Thema Homo-Ehe dabei nur am Rande eine Rolle spielte, treibt Landeschef Thomas Strobl die Sorge vor einer neuerlichen Brüskierung der konservativen Basis um. „Wir müssen behutsam rangehen“, sagte er und verwies fast schon hilfesuchend auf den Berliner Koalitionsvertrag. „Darin ist ein solches Gesetz nicht vorgesehen.“ Das klang freilich nicht nach einer grundsätzlichen Ablehnung, sondern nach Widerstand mit Verfallsdatum.