© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

Mehr Schein als Sein
Lebensversicherer: Der Map-Report hat in der Eurokrise an Aussagekraft verloren
Peter Offermann

Er gilt seit über zwei Jahrzehnten als das Schulzeugnis der deutschen Lebensversicherungen – der Map-Report. Ins Leben gerufen wurde die umfangreiche Analyse durch den im vergangenen September verstorbenen Volkswirt und Versicherungsanalysten Manfred Poweleit, welcher der größten und ausführlichsten Beurteilung der Lebensversicherer auch ihren Namen gab. Im Dezember 2014 übernahm der Verlag Versicherungsjournal die Rechte am Map-Report und engagierte den langjährigen Poweleit-Mitarbeiter Reinhard Klages als Chefredakteur.

Private Altersvorsorge in ernsten Schwierigkeiten

Aber wie aussagekräftig ist der Branchengradmesser für den Kunden in Eurokrisen-Zeiten noch? Die Kriterien, nach denen die Gesellschaften bewertet werden, sind – neben der Qualität der Produkte – die Bilanzzahlen oder kostenbewußtes Verhalten, aber auch deren Service, welcher anhand von Beschwerde- und Prozeßkosten bewertet wird. Das scheinen wichtige Punkte für den Kunden zu sein. Wenn man jedoch ein wenig an dieser Map-Oberfläche kratzt, kommen einige unangenehme Fragen auf. Es scheint, als würden sich die Versicherer in die eigene Tasche lügen, wenn sie das Map-Ranking damit bewerben, daß der Bedarf an Lebensversicherungen zur privaten Altersvorsorge gigantisch und das Vertrauen der Bundesbürger in die Produkte unerschütterlich sei.

Fest steht, daß von den über fünf Millionen Neuabschlüssen im Jahr 2013 lediglich 5,3 Prozent zu den klassischen Kapitallebensversicherungsverträgen (KLV) gehören. Den größten Anteil verbuchen staatlich geförderte Produkte à la Riester und Rürup, die unverzichtbaren Berufsunfähigkeits- und fondsgebundene Rentenversicherungen. Und nur noch 40 von 64 KLV-Anbietern haben sich überhaupt noch analysieren lassen.

Mehrere Fragen wirft auch der zugrundegelegte Musterkunde auf: Er ist 30 Jahre alt und spart jährlich 1.200 Euro für seine Altersvorsorge. Aber was haben hierbei Laufzeiten von zwanzig und zwölf Jahren zu suchen? Ein Mann, der gerade einmal sein dreißigstes Lebensjahr vollendet hat, wird in der Regel weder mit 42 noch mit 50 in Rente gehen, die Regelaltersgrenze liegt schon heute für ihn bei 67. Zudem veröffentlicht der Map-Report nur die Gesamtablaufleistungen der Gesellschaften anhand von Vergangenheitswerten. Es fehlt die Angabe der garantierten Auszahlungsbeträge – und die sind für die Kunden in der Niedrigzins- und Eurokrisenphase relevant. Für KLV-Neukunden sind die dargestellten Auszahlungsbeträge längst Augenwischerei. 

Die aktuellen Werte sind in Wahrheit erschreckend: Die mittels des offiziellen Onlinerechners auf der Seite des Map-Seriensiegers Debeka ermittelten Zahlen ergeben für die Beispiellaufzeit von 30 Jahren eine garantierte Auszahlung von 37.150 Euro, bei 20 Jahren 23.793 Euro und bei zwölf Jahren 13.785. Wer mitrechnet, erkennt schnell, daß er kein gutes Geschäft eingeht – bei 20 Jahren Laufzeit bekommt der Versicherte sogar weniger heraus, als seine über die Vertragsdauer eingezahlten 24.000 Euro. Eine entsprechende Risikolebensversicherung plus regelmäßige Einzahlungen auf ein Bonussparbuch dürften inzwischen lohnender sein. Und ein Sparbuch taugt mittlerweile eher als Rücklage für den Urlaub oder kaputtgegangene Autos und Waschmaschinen als für den gemütlichen Ruhestand. Daß die Europa – Tochter des Continentale Versicherungsverbunds – und Cosmos – deutsche Tochter des italienischen Finanzkonzerns Generali – auf den Map-Plätzen zwei und drei liegen, überrascht ebensowenig, haben doch Direktversicherer ohne teuren Außendienst in der Regel geringere Kosten. Doch langfristig müssen auch Direktversicherungskunden mit hohen Abschlägen rechnen. Im Branchenschnitt hat sich die KLV-Ablaufleistung innerhalb von zehn Jahren um 27.000 Euro verschlechtert. Die durchschnittliche Beitragsrendite fiel von 6,3 auf 4,68 Prozent.

Die Eurokrise und die Politik der „Finanzrepression“ (Niedrigzinsen bei gleichzeitiger Geldmengenausweitung) zwingen die Versicherungen förmlich dazu, ihre Garantien zu begrenzen, einzuschränken oder gar gänzlich abzuschaffen. Im Mai kündigte beispielsweise der Branchenriese Generali an, den Vertrieb von klassischen KLV mit Zinsgarantien einzustellen. Die Solvency-II-Rahmenrichtlinie der EU verlangt so hohe Eigenkapitalmittel, daß sich das Geschäft nicht mehr lohnt.

Der Map-Report liefert trotz seiner Schattenseiten weiterhin ein Qualitätszeugnis der Branche – doch wie lange noch? Denn auf geld- und wirtschaftspolitischer Ebene wären massive Änderungen nötig, um den Komapatienten Kapitallebensversicherung überhaupt wiederzubeleben.


„Map-Report 873 – KLV-Ablaufanalyse 2003 bis 2014“ für 38 Gesellschaften: versicherungsjournal.de/