© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/15 / 05. Juni 2015

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weissmann

Die satte Mehrheit zugunsten der Schwulenehe in Irland hat sicher mit der dramatischen Modernisierung des Landes zu tun und auch mit dem Autoritätsverlust der katholischen Kirche infolge der Aufdeckung zahlreicher Mißbrauchsfälle. Allerdings darf man nicht unterschätzen, daß selbst auf der Insel des Heiligen Patrick Teile des Klerus längst dem modernen Zeitgeist anheimgefallen sind und sich wie der Erzbischof von Dublin, Monsignore Martin, und der Bischof von Kerry, Monsignore McKeown, offen für die Anerkennung verschiedener sexueller „Orientierungen“ in einer Gesellschaft der „Vielfalt“ aussprechen.

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Narzißmus ist im Vergleich zu Nazismus das ungleich größere Problem.

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In den Stellungnahmen des Literaturwissenschaftlers Hans Ulrich Gumbrecht kommt immer wieder die ganze Erbärmlichkeit des Geistes von ’68 zum Ausdruck. So hat er in einer Ansprache zum Thema Vergangenheitsbewältigung angesichts der faktischen Unmöglichkeit jeder Rede von fortwährender deutscher Schuld, die „Verwunschenheit“ des deutschen „Raums“ bemüht. Aber vielleicht ist das nur ein Hinweis darauf, was überhaupt hinter dem Jargon dieser Leute steht: magisches Denken.

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Den Trubel um die Verhaftung der Fifa-Funktionäre und die Wiederwahl von Blatter muß man nicht ernst nehmen. Internationale Organisationen sind an sich korruptionsanfällig, und das gilt erst recht, wenn vor allem Staaten beteiligt sind, in denen Bestechung und Nepotismus als Selbstverständlichkeit gelten.

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Wenn man gezwungen ist, einen größeren Teil seiner Bibliothek neu zu ordnen, jedes Buch einzeln aus dem Regal nimmt, irgendwohin stapelt, um es dann an einen neuen Platz zurückzustellen, führt das nicht nur zu überraschenden Wiederentdeckungen, sondern auch zum Rückgewinn von Vertrautheit mit geistigen Provinzen, die man lange nicht betreten hat. Schwer vorstellbar, daß derselbe Effekt eintritt, wenn man die Daten in seinem E-Book-Reader aufräumt.

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Die französische Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem illustriert mit ihren Maßnahmen zur Zerstörung des Schulsystems zwei alte und eine neue Wahrheit über linke Politik. Die alten sind: erstens, es geht niemals um Gleichberechtigung, immer um Gleichheit, eigentlich um Ununterscheidbarkeit; zweitens, dem Diktat der Egalität können sich nur dessen Macher entziehen, auch dadurch, daß sie die Aufstiegs-chancen qua Leistung zerstören, die sie selbst unter früheren Bedingungen genutzt haben. Die neue ist: drittens, als natürlicher Verbündeter der Einwanderer nutzt die Linke das Anwachsen dieser Wählerschaft unter ausdrücklicher Billigung von ethnischer Klientelpolitik, was nur noch abgeschlagene Konkurrenten in den eigenen Reihen zur Einsicht führt: „Wenn sie Claudine Dupont hieße, wäre sie nicht da, wo sie heute ist.“ (Ségolène Royal)

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Es war die entscheidende Niederlage im Kampf um die Deutungshoheit, als der Begriff der „Natürlichkeit“ fiel.

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Betroffenheit ist kein Argument.

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Die in Lavau, einem Vorort von Troyes, gefundenen Reste eines keltischen Fürstengrabs stammen aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Die ausgesprochen prunkvollen Beigaben – darunter ein Streitwagen und ein Bronzekessel von fast einem Meter Durchmesser – zeigen nicht nur den Reichtum der Oberschicht, sondern auch ihre Orientierung an den Hochkulturen des Mittelmeerraums, deren Stil man zu kopieren suchte. Das ist auch ein Hinweis auf typische Vorgänge bei der Durchdringung von Kulturen: die Eliten sind nicht nur neugieriger als der Plebs, sondern sehen in der Übernahme des Fremden auch eine Chance, sich gegen die Eigenen abzusetzen und die Distanz zwischen Herrschern und Beherrschten zu vergrößern.

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Bildungsbericht in loser Folge LXXV: Die Schulpolitik von SPD und Grünen in Niedersachsen ist insofern typisch, als sie auf Samtpfoten daherkommt und jeden Vorwurf, es gehe um die Erledigung des gegliederten Systems, zurückweist. Nur wenn man glaubt, unter sich zu sein, spricht man aus, was einen wirklich antreibt: es den „Eltern mit hohem Einkommen“ einmal so richtig zu zeigen, die ihre Kleinen „immer noch von den Schmuddelkindern fernhalten“ wollen, weshalb die „sich jetzt an den Gymnasien zusammenrotten“ (Anja Piel, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag).

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„… die Steuerverweigerung ist eines der Sakramente der Weltgeschichte, das äußere, sichtbare Zeichen eines inneren Gnadenstandes, das Symbol der Auferstehung des Geistes bei einem unterdrückten Volke, die Bejahung der Menschenrechte, die Stimme der Freiheit, die sich gegen das Diktat der Gewalt kühn erhebt“ (Cicely Veronica Wedgwood).


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 19. Juni in der JF-Ausgabe 26/15.