© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/15 / 12. Juni 2015

Roger Scruton. In England erfährt der konservative Philosoph allseitig Anerkennung
Der Vordenker
Karlheinz Weissmann

Wäre es in Deutschland vorstellbar, daß ein Autor ein Buch mit dem Titel „Wie man ein Konservativer wird" veröffentlicht, das dann von einer einflußreichen Zeitung zu den wichtigen politischen Neuerscheinungen und von einem linken Politiker zu seinem persönlichen „Buch des Jahres" gemacht wird? Kaum. Auch daran erkennt man den Unterschied zwischen deutschem und angelsächsischem Konservatismus. Letzterer bewegt sich im Rahmen des gesellschaftlich Akzeptierten, und ein Denker wie Roger Scruton kann damit rechnen, daß man seinen Analysen Gehör schenkt – wie unlängst eben seinem Buch „How to be a Conservative", das die Sunday Times feierte und ein Labour-Abgeordneter in einem führenden Blatt der intellektuellen Linken zur notwendigen Lektüre erklärte.

Die Stellung Scrutons im Geistesleben des Vereinigten Königreichs war allerdings nicht immer so unbestritten. Der 1944 im ostenglischen Lincolnshire geborene Philosoph hat seine akademische Laufbahn bezeichnenderweise jenseits der berühmten Hochschulen seiner Heimat absolviert, da dort seine weltanschaulichen Gegner den Ton angaben. Verunsichert hat das Scruton nicht, sowenig wie das Erlebnis des Mai 1968 in Paris oder die Hausse des Konservatismus in den Thatcher-Jahren. Scruton stand dieser Mischung aus Nationalismus und Markt mit großer Skepsis gegenüber. Er, der fast zwei Jahrzehnte die Salisbury Review herausgab, beharrte immer darauf, daß der Konservatismus ein geistiges Fundament brauche. Außerdem, daß es – anders als die Eiserne Lady meinte – durchaus eine Gesellschaft gebe und daß es dem Konservativen genau um diese Gesellschaft zu gehen habe. „Die Freiheit", zitiert er Matthew Arnold, „ist ein Pferd, das sich gut reiten läßt, um irgendwo hinzukommen."

Auch diese Positionierung klärt, warum sich Scruton ausdrücklich als „Paläokonservativer" – also als Altkonservativer – versteht und damit in eine Tradition einordnet, in der abendländische Überlieferung, anthropologische Skepsis, Widerwille gegenüber allen Totalitarismen und Pragmatismus zusammenfließen. In den Kolumnen, den Essays und den mehr als dreißig Büchern aus seiner Feder hat er seine Position entfaltet und kaum irgendeinen Themenbereich ausgelassen: von den Grundlagen der Philosophie und Fragen der Ästhetik über die Irrtümer des 20. Jahrhunderts bis zu den Vorstellungen der bedeutenden Köpfe des eigenen Lagers, Aspekten der modernen Ökologie, der Rolle der Kirche im religiösen Pluralismus und einer Liebeserklärung an seine englische Heimat.

Um eine politische Theorie des Konservatismus im strengen Sinn geht es Scruton dabei nicht, aber wer sich überhaupt ernsthaft mit dieser Weltanschauung befaßt, kommt nicht umhin, diesen originellen Denker einer gründlichen Lektüre zu unterziehen.